Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
etwa wieder einmal jemandem die Hörner aufgesetzt?«
    Jan zuckte schweigend die Achseln, während Cranachs buschige Brauen gefährlich nach oben wanderten.
    »Moment!«, sagte er. »Du warst doch gestern auf dem Ball im Schloss. Du willst mir jetzt nicht etwa sagen, dass du dort in fremden Gefilden gewildert hast …« Er stutzte, starrte auf Jans Hände. »Aber die sind ja voller Blut!«
    »Eine kleine Auseinandersetzung«, sagte Jan. »Nichts von Bedeutung. Wenn Ihr jetzt erlaubt, dass ich mich fertig ankleide, kann ich gleich unten in der Werkstatt sein. Das Blut stammt vom Rasieren. Ich brauche dringend ein neues Messer.«
    Cranachs Schuh stand auf einer der Zeichnungen.
    Er bückte sich, hob sie auf.
    »Du hast sie tatsächlich rumgekriegt, du Teufelskerl«, sagte er. »Das ist doch Dilgin von Thann, die Hofdame der Kurprinzessin – nackt, wie Gott sie schuf.«
    Jan riss ihm das Blatt aus der Hand.
    »Das sind nichts als ein paar Skizzen«, sagte er. »Fantasien, wenn Ihr so wollt, lediglich privater Natur. Ich kann sie nicht als Grazie malen, das müsst Ihr verstehen. Und erst recht nicht …« Er verstummte.
    »In diesem Haus gibt es nichts Privates.« Cranachs Stimme klang grollend. »Schon gar nicht für meinen Stellvertreter. Oder soll ich etwa Moritz diese Position anvertrauen? Du wirst sie malen. Und noch heute damit beginnen. Die Zeit läuft uns davon. Wir müssen bald liefern.«
    »Aber genau das können wir nicht«, rief Jan. »Der Auftraggeber ist wahnsinnig, habt Ihr das nicht bemerkt?«
    »Was soll das heißen?«
    »Wisst Ihr, wen er als dritte Grazie fordert? Katharina von Bora!«
    »Die Lutherin?«, fragte Cranach ungläubig. »Aber das kann er doch nicht. Nicht sie!«
    »Das habe ich ihm auch gesagt«, erwiderte Jan. »Aber er meinte, er könne nicht anders.«
    »Du hast mit ihm gesprochen? Wann?«
    »Er hat mich im Schloss abgefangen. Und seine Forderun gen mitgeteilt. Er scheut das Tageslicht.« Jan zögerte kurz, sprach dann aber doch weiter. »Mit ihm stimmt etwas nicht. Würde er sich sonst verstecken?«
    »Unter diesem Dach habe ich Katharina nach der Flucht aus dem Kloster aufgenommen«, sagte Cranach, der offenbar gar nicht richtig zugehört hatte. »In meinem Haus hat sie Martin kennen und lieben gelernt. Ich habe beiden zur Hochzeit geraten. Kein anderer als ich war ihr Trauzeuge. Wieso kommt er ausgerechnet auf sie?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte Jan. »Und ich will es auch gar nicht wissen, denn ich ehre und schätze Katharina. Und ich kenne sie gut. Niemals würde sie nackt Modell stehen – weder mir noch sonst einem Maler auf der Welt.«
    Cranach sank in sich zusammen, was Jan ruhiger und zuversichtlicher machte. Hades hatte ihm im Schloss schließlich das Leben gerettet. Vielleicht würde er nicht weiter auf dem Bild beharren.
    »Dann seht Ihr also ein, dass es ganz und gar unmöglich ist?«, sagte Jan. »Gebt den Auftrag zurück – und die Anzahlung dazu! Dieses Bild darf niemals gemalt werden. Wir haben bereits zwei Tote zu beklagen. Was muss noch geschehen, damit Ihr Euch endlich dazu entschließt?«
    Cranach ging zu dem kleinen Fenster und starrte hinaus.
    »Woher will er eigentlich wissen, wie sie unter ihren Kleidern aussieht?«, sagte er schließlich.
    »Das kann er nicht wissen«, erwiderte Jan. »Aber was wollt Ihr damit sagen?«
    »Ich denke nur einmal laut. Was wäre, wenn der Körper von einer ganz anderen Frau stammte? Und was das Gesicht betrifft …« Cranach hatte Jans Skizzenbuch aufgehoben und begann, darin zu blättern.
    Plötzlich schien er zu stutzen.
    Bitte nicht!, betete Jan stumm, der dafür nur eine Erklärung wusste.
    Doch offenbar war der Alte ausgerechnet auf ebenjene Zeichnungen gestoßen, die Jan am liebsten für immer vor ihm verborgen hätte.
    »Die junge Frau auf diesen Blättern besitzt einige Ähnlichkeit mit Katharina, findest du nicht?«, fragte er.
    »Da täuscht Ihr Euch sehr …«
    »Ich täusche mich niemals, was Linien und Proportionen betrifft. Wie lautet ihr Name? Den wirst du doch kennen, wenn du sie schon so liebevoll porträtiert hast!«
    »Susanna«, presste Jan hervor.
    »Wo lebt sie?«
    Weit weg, hätte Jan am liebsten geschrien. Unantastbar für Euch ebenso wie für mich. Sie ist etwas ganz Besonderes. Eine Heilige, wenn Ihr so wollt. Jemand, dem Ihr niemals wehtun dürft.
    Aber machte das Sinn?
    Cranach hatte sie ja bereits gesehen – in der Leucorea, als sie wegen des entlaufenen Ebers hereingeplatzt war.
    Inzwischen

Weitere Kostenlose Bücher