Die geheime Braut
ein ganzer Kerl bist.«
Mit offenem Mund starrte er sie an.
»Zum Zweiten wirst du damit aufhören, über meinen Kopf hinweg zu entscheiden«, fuhr sie fort. »Nur weil ich lange im Kloster war, bin ich noch lange kein blindes Huhn, ver standen?«
»Aber ich hab doch nur …«
»Wenn du mich zeichnen willst, so fragst du einfach. Dann wirst du schon hören, was ich dazu zu sagen habe. Ja?«
Jan nickte.
»Ich erkenne dich ja gar nicht wieder«, sagte er. »So klar sprichst du auf einmal, so energisch …«
»So war ich schon immer. Ich hatte es nur vergessen«, erwiderte Susanna ernst. »Aber ein Eber hat mich wieder daran erinnert.«
»Ein Eber? Du meinst doch nicht etwa das Vieh aus dem Luther-Haus?«
»Genau das.« Sie begann zu lächeln, denn ihr Herz war auf einmal ganz hell und leicht.
Sie liebte ihn. Und er liebte sie. Plötzlich war sie sich ganz sicher.
Jan machte einen Schritt auf sie zu und blieb stehen.
Worauf wartest du noch?, hätte sie am liebsten gesagt, aber sie blieb stumm.
Diesmal machte sie einen Schritt auf ihn zu.
Wieder kam Jan ihr entgegen. Wieder näherte sie sich, bis sie schließlich ganz nah voreinander standen.
Die ruhige Tiefe in seinen Augen schien in Susanna zu fließen. Sie hob ihm ihr Gesicht entgegen.
Als ihre Lippen sich berührten, schien die Welt ringsherum zu versinken. Es gab nur noch sie und ihn.
Eine Frau. Einen Mann.
Der Kuss war innig und lang, voller Zärtlichkeit, voller Vertrauen.
Susannas Beine begannen zu zittern, aber Jan hielt sie in seinen Armen, als wollte er sie niemals wieder loslassen.
So sehr waren sie ineinander vertieft, dass sie nicht bemerkten, wie die Tür sich öffnete.
Moritz stand auf der Schwelle und zuckte entschuldigend die Achseln, als ein blonder Mann in einem dunklen Umhang ihn jäh zur Seite drängte. In der Hand hielt der Mann ein blankes Schwert, dessen Spitze direkt auf Jan zielte.
»Wo ist Dilgin von Thann?«, schrie der Eindringling wut entbrannt. »Und ich rate dir dringend, die Wahrheit auszuspucken, Jäger, sonst wird dein Ende noch grausamer werden.«
Jan zog Susanna enger an sich.
»Was soll mit ihr sein?«, sagte er. »Ich weiß nichts darüber. Wieso sucht Ihr sie ausgerechnet hier?«
»Seit gestern Nacht ist sie spurlos verschwunden. Was hast du mit meiner Verlobten angestellt, dreckiger Hundsfott?«
DRITTES BUCH: EUPHROSYNE
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EUPHROSYNE
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D ie anderen beobachteten ihn, das spürte Jan, auch wenn sie schnell die Köpfe abwandten, sobald er sich umdrehte oder seinen Platz vor der Staffelei verließ. Von Moritz ging dabei keinerlei Gefahr aus, das konnte er spüren. Dem tat er leid, weil er unversehens in eine missliche Lage geraten war, aus der es so leicht keinen Ausweg gab.
Simon dagegen mied seine Nähe und hatte inzwischen auch den schüchternen Ambrosius auf seine Seite gezogen, der vor Verlegenheit kaum noch wusste, wohin er schauen sollte. Die beiden Cranach-Söhne waren, was ihn betraf, schon den ganzen Morgen am Streiten. Während Hans ihm offen feindselig begegnete, war der jüngere Luc offenbar unschlüssig, wie er sich verhalten sollte.
Irgendwann hatte Jan genug von all dem Unausgesprochenen, das zwischen ihnen in der Werkstatt hing und das Malen störte.
»Ich weiß nichts über den Verbleib der Hofdame«, platzte er schließlich heraus. »Auch wenn jener Edle von Altenstein darüber ganz anderer Meinung sein mag. Hört also gefälligst damit auf, mir Löcher in den Bauch zu starren! Wenn ich wüsste, wo sich Dilgin von Thann aufhalten könnte, würde ich es sofort sagen. Aber leider habe ich nicht die geringste Ahnung.«
»Ihr Verlobter hat dich tüchtig vermöbelt«, sagte Simon, der wenig überzeugt wirkte. »Das habe ich mitbekommen. Sicherlich nicht grundlos. Warum sonst sollte ein adeliger Herr wie er sich an einem wie dir die Finger schmutzig machen?«
»Ach, dazu warst du also nicht zu betrunken?«, konterte Jan. »Gehen jedenfalls konntest du kaum noch, wenn ich mich recht erinnere. Und nur noch mit allergrößter Mühe halbwegs geradeaus schauen.«
»Und wie sie dich angefunkelt hat, als sie neulich mit der Kurprinzessin in der Werkstatt war«, fuhr Simon ungerührt fort. »Da war doch mehr zwischen ihr und dir. Du kannst ein fach nichts anbrennen lassen, selbst nicht bei Hofe. Nicht einmal, wenn es dich den Kopf kosten könnte.«
Lucs Blick hing flehend an Jan.
»Du hast ihr doch nichts Böses angetan?«, fragte er leise. »Sie ist eine so schöne
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