Die geheime Braut
fiel ihr nicht schwer, die halbe Nacht aufzubleiben. Als ihre Mutter noch lebte, hatten sie so viele Male an überaus unsicheren Orten übernachten müssen, dass das Wachen im Dunkeln ihr beinahe zur zweiten Natur geworden war.
Marlein zog den beinernen Kamm durch die Haare, bis sie locker fielen, dann begann sie, sich bunte Bänder hineinzuflechten. Natürlich wäre es leichter gewesen, hätte eine der Frauen ihr dabei geholfen, doch zu ihrem Plan gehörte ja, dass alle schliefen.
Dass sie eines der weißen Kleider trug, die der Patron ihr hatte nähen lassen, verstand sich von selbst. So wollte er sie sehen – und genau so sollte er sie auch zu Gesicht be kommen.
Sie kniff in ihre Wangen, damit sie Farbe annahmen, und sah danach mit leisem Zweifel an sich hinunter.
Wenn er füllige Weiber liebte, würde sie mit ihren Spatzenwaden und dünnen Armen gewiss bei ihm durchfallen. Gefielen ihm jedoch Mädchen an der Schwelle zum Frausein, rechnete sie sich durchaus Chancen aus. Ihre Scham war rasiert, nicht ein störendes Härchen gab es am ganzen Körper. Die kleinen Brüste lockten mit rosigen Spitzen. Der Bauch war sanft gewölbt, der Nabel eng. Und was ihr festes Hinterteil betraf, so hatte Els erst neulich gesagt, dass …
Sie hörte, wie die Haustür ging, und erstarrte.
Das musste er sein! Oder war Griet doch unbemerkt aufgestanden und gerade zurückgekommen?
Auf Zehenspitzen schlich Marlein aus ihrer Kammer, tapste barfuß die Treppe hinunter und stand schließlich mit klopfendem Herzen vor der Stube.
Sie atmete tief aus, dann drückte sie die Klinke herunter.
Ein Mann im grauen Umhang blieb noch eine ganze Weile über den Tisch gebeugt, dann drehte er sich langsam um.
Marleins Lächeln erstarb jäh.
Ja, er trug eine dunkle Maske aus Metall, die sein halbes Gesicht verbarg und ihm etwas Unheimliches verlieh. Die andere Gesichtshälfte war bleich und nicht mehr allzu glatt.
Er war kein Jüngling mehr, aber auch noch kein alter Mann.
»Was machst du hier?« Seine Stimme war gelassener, als Marlein befürchtet hatte. »Solltest du nicht in deiner Kammer sein?«
»Ich habe auf Euch gewartet, Patron«, sagte sie schnell. »Ich bin Marlein. Und ich warte schon so lange!«
Seine Augen schienen sie zu durchdringen.
»Seht Ihr das weiße Kleid?« Sie hob den Rock ein wenig hoch und drehte sich dann langsam um die eigene Achse. »Die bunten Bänder in meinem Haar? Und barfuß bin ich auch. Alles genau so, wie Ihr es befohlen habt. Jetzt sehe ich doch aus wie eine Braut – Eure Braut.«
Er schenkte sich einen Becher voll und trank ihn aus. Dann fuhr er sich mit der Hand über die Lippen.
»Doch was darunter ist«, sagte Marlein, »wird Euch noch viel besser gefallen, Patron. Seid Ihr denn gar nicht neugierig darauf?«
»Neugierig?«, wiederholte er gedehnt.
»Ja«, sagte sie um einiges forscher, als ihr eigentlich zumute war, denn das Herz schlug ihr inzwischen bis zum Hals. »Wollt Ihr nicht mit mir spielen? Ihr müsst wissen, ich kenne da sehr aufregende Sachen!«
Er gab eine Art krächzendes Lachen von sich.
»Du nimmst den Mund ja gehörig voll«, sagte er. »Woher willst du wissen, was mir gefällt?«
»Zeigt es mir«, sagte sie schnell, weil sie Angst hatte, seine Aufmerksamkeit zu verlieren. »Ich bin klug. Und anstellig. Ich lerne schnell.«
Er packte ihre Hand, zog sie näher zu sich. Dann ließ er sie abrupt wieder los.
»Beeil dich!«, sagte er. »Aber enttäusch mich nicht! Ich hasse Enttäuschungen.«
Marlein zögerte keinen Augenblick und lief die Treppe nach oben, während sie ihn hinter sich hinaufstapfen hörte. Er musste schwere Stiefel tragen, denn sie machten ordentlich Lärm.
Die anderen werden Augen machen, dachte sie in fiebriger Erwartung. Keine von ihnen hat ihn jemals gesehen – und zu mir kommt er sogar in die Kammer. Vielleicht werde ich ja noch seine Favoritin. Vielleicht wird er …
Die Tür fiel ins Schloss.
Marlein drehte sich um. Jetzt war sie mit ihm allein.
Seine Augen waren hart und kalt.
»Soll ich mich ausziehen?«, fragte sie, plötzlich unerwartet verlegen. »Eine Braut, die freudig ihren Bräutigam erwartet …«
»Du sprichst nur, wenn ich es erlaube, verstanden?«, unterbrach er sie. »Und das Gleiche gilt auch für deine Bewegungen. Du willst doch lernen, oder nicht?«
Marlein nickte.
»Heb deinen Rock!«, verlangte er.
Sie gehorchte.
»Höher.«
Sie tat, was er forderte.
»Und jetzt berühr dich!«
Marlein zögerte.
Er holte aus und
Weitere Kostenlose Bücher