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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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erinnere oder weshalb es einen solchen Eindruck auf mich machte.

SIEBTES KAPITEL
    Obwohl Bunny nicht viele Leute in Hampden gekannt hatte, war die Schule doch so klein, daß fast jeder auf die eine oder andere Weise von ihm gewußt hatte; die Leute wußten, wie er hieß, sie kannten ihn vom Sehen, erinnerten sich, wie seine Stimme geklungen hatte, die in vieler Hinsicht sein hervorstechendstes Merkmal gewesen war. Merkwürdig, aber obwohl ich ein oder zwei Fotos von Bunny habe, ist es nicht sein Gesicht, sondern die Stimme, die verstummte Stimme, was über die Jahre hinweg bei mir geblieben ist – durchdringend, zänkisch, von ungewöhnlicher Resonanz. Einmal gehört, war sie nicht leicht zu vergessen, und in jenen ersten Tagen nach seinem Tod war die Mensa seltsam still ohne das Echo seines mächtig blökenden I-aah an seinem gewohnten Platz neben dem Milchautomaten.
    Es war also normal, daß man ihn vermißte, ja betrauerte – denn es ist hart, wenn jemand stirbt in einer Schule wie Hampden, wo wir alle so auf uns allein gestellt waren und so kunterbunt zusammengesperrt. Aber ich war überrascht von der ausschweifenden Trauer, die sich entfaltete, als sein Tod amtlich war. Sie erschien nicht nur grundlos, sondern angesichts der Umstände sogar ziemlich schändlich. Niemand war wegen seines Verschwindens besonders verzweifelt gewesen, nicht einmal in jenen düsteren letzten Tagen, in denen man hatte vermuten müssen, daß jede Kunde, wenn sie nun käme, schlecht sein werde; auch war die Suche in den Augen der Öffentlichkeit kaum etwas anderes als eine massive Belästigung gewesen. Aber jetzt, bei der Nachricht seines Todes, gerieten die Leute in seltsame Hektik. Jeder hatte ihn plötzlich gekannt; jeder war ganz außer sich vor Schmerz; jeder mußte nun einfach versuchen, recht und schlecht ohne ihn weiterzumachen, so gut es ging. »Er würde es so gewollt haben.« Das war ein Satz, den ich in dieser Woche viele Male aus dem Mund von Leuten hörte, die absolut keine Ahnung hatten, was Bunny gewollt hatte: von Verwaltungsangestellten, irgendwelchen Weinenden, Fremden,
die sich vor der Mensa schluchzend aneinanderklammerten; vom Kuratorium, das in einem defensiven, sorgfältig formulierten Statement erklärte, daß man »im Einklang mit dem einzigartigen Geist Bunny Corcorans sowie mit den humanen und fortschrittlichen Idealen von Hampden College« in seinem Namen eine beträchtliche Spende an die Amerikanische Bürgerrechtsunion überweisen werde – eine Organisation, die ihm ohne Zweifel ein Graus gewesen wäre, hätte er von ihrer Existenz gewußt.
    Es entstand eine seltsam aufgeregte Geschäftigkeit: Bäume wurden gepflanzt, Gedächtnisgottesdienste, Spendenaktionen und Konzerte veranstaltet. Eine Studienanfängerin unternahm – aus völlig anderen Gründen – einen Selbstmordversuch, indem sie giftige Beeren von einem Strauch vor dem Musikgebäude aß, aber irgendwie wurde auch dies in die allgemeine Hysterie einbezogen. Alle liefen tagelang mit Sonnenbrillen herum. Frank und Judd – die wie stets der Ansicht waren: das Leben muß weitergehen – liefen mit ihrer Farbdose herum und sammelten Geld für eine Faßparty zum Gedenken an Bunny. Dies fanden bestimmte Personen der Schulleitung geschmacklos, zumal Bunnys Tod die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die große Zahl von alkoholschwangeren Veranstaltungen in Hampden gelenkt hatte; aber Frank und Judd ließen sich davon nicht rühren. »Er würde gewollt haben, daß wir ’ne Party feiern«, erklärten sie verstockt. Andererseits hatte das Studentensekretariat eine Sterbensangst vor Frank und Judd. Ihre Väter waren seit Ewigkeiten Mitglieder des Schulausschusses; Franks Dad hatte Geld für eine neue Bibliothek gestiftet, und Judds Dad hatte das Gebäude der Naturwissenschaften bezahlt. Man vertrat die Ansicht, daß die beiden nicht vom College verwiesen werden konnten, und eine Rüge vom Studiendekan würde sie nicht hindern, irgend etwas zu tun, wenn sie dazu Lust hatten. Also nahm die Faßparty ihren Gang, und sie war genau das geschmacklose und unpassende Ereignis, das man erwartet hatte – aber jetzt greife ich meiner Geschichte vor.
     
    Wenn ich das Geschriebene noch einmal überlese, habe ich das Gefühl, daß ich Bunny in gewisser Hinsicht unrecht getan habe. Die Leute hatten ihn wirklich gemocht. Niemand hatte ihn besonders gut gekannt, aber es war eine merkwürdige Eigenschaft seiner Persönlichkeit, daß man ihn um so besser zu

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