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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Ich war todmüde; ich hatte Kopfschmerzen, und meine Füße waren wie Blei. Aber die Morgenluft war klar und frisch und schien Charles wieder ein bißchen zu sich zu bringen. Auf halber Strecke blieb er vor dem staubigen Straßenverkaufsfenster eines »Tastee Freeze« stehen, gegenüber vom Veterans Hospital auf der anderen Seite des Highway, und kaufte ein Eiscreme-Soda.
    Unsere Schritte knirschten im Kies. Charles rauchte eine Zigarette und schlürfte sein Soda durch einen rot-weiß gestreiften Strohhalm. Fliegen summten um unsere Ohren.
    »Du und Henry, ihr hattet also einen Streit«, sagte ich, nur um etwas zu sagen.
    »Wer hat dir das erzählt? Er?«
    »Ja.«
    »Ich kann mich gar nicht mehr erinnern. Ist auch egal. Ich hab’s satt, daß er mir sagt, was ich machen soll.«
    »Weißt du, was ich mich frage?« sagte ich.
    »Nein.«
    »Nicht, warum er uns sagt, was wir machen sollen. Aber warum wir immer machen, was er sagt.«
    »Keine Ahnung«, sagte Charles. »Nicht, daß dabei viel Gutes rausgekommen wäre.«
    »Ach, das weißt du gar nicht.«
    »Machst du Witze? Schon die Idee mit diesem Scheiß-Bacchanal - wer hatte die wohl? Und wessen Idee war es, Bunny nach Italien mitzunehmen? Und dann das Tagebuch rumliegen zu lassen? Dieser Schweinehund. Für mich ist er restlos an allem schuld. Außerdem, du hast keine Ahnung, wie nah sie uns auf den Fersen waren.«
    »Wer?« fragte ich erschrocken. »Die Polizei?«
    »Die Leute vom FBI. Gegen Ende gab es vieles, was wir euch anderen gar nicht mehr erzählt haben. Ich mußte Henry schwören, es euch nicht zu sagen.«
    »Wieso? Was ist denn passiert?«
    Er warf seine Zigarette weg. »Na, ich meine, sie haben alles durcheinandergebracht«, sagte er. »Sie dachten, Cloke steckte mit drin. Sie dachten eine Menge Zeug. Es ist komisch. Wir sind so sehr an Henry gewöhnt. Wir machen uns manchmal nicht klar, wie er auf andere Leute wirkt.«
    »Wie meinst du das?«
    »Oh, ich weiß nicht. Ich könnte dir eine Million Beispiele geben.« Er lachte müde. »Ich weiß noch, wie ich im letzten Sommer, als er so versessen darauf war, ein Farmhaus zu mieten, mit ihm zu einem Maklerbüro rausfuhr. Es war eine absolut klare Sache. Er hatte ein spezielles Haus im Sinn – ein großes altes Anwesen aus dem neunzehnten Jahrhundert, weit draußen an einem Feldweg, riesiges Grundstück, mit Dienstbotenhaus und allem Drum und Dran. Er hatte sogar das Geld dabei. Sie müssen zwei Stunden miteinander geredet haben. Die Maklerin rief ihren Geschäftsführer zu Hause an und ließ ihn ins Büro kommen. Der Geschäftsführer stellte Henry eine Million Fragen. Rief jede einzelne seiner Referenzen an. Alles war in Ordnung, aber nicht mal da wollten sie es ihm vermieten.«
    »Warum nicht?«
    Er lachte. »Na, wie Henry aussieht, das ist einfach zu gut, um wahr zu sein, oder? Sie konnten einfach nicht glauben, daß jemand in seinem Alter, ein Collegestudent, so viel Geld für ein so großes und abgelegenes Anwesen zahlen würde, bloß um da ganz allein zu wohnen und die Zwölf Großen Kulturen zu studieren.«
    »Wieso denn? Hielten sie ihn für eine Art Gauner?«
    »Sie hielten ihn jedenfalls nicht für ganz astrein, um es mal so auszudrücken. Anscheinend dachten die Männer vom FBI das gleiche. Sie glaubten nicht, daß er Bunny umgebracht hätte, aber sie glaubten, daß er etwas wüßte, was er ihnen nicht sagte. Offensichtlich hatte es in Italien Differenzen gegeben. Marion wußte das. Cloke wußte es, und sogar Julian. Selbst mich haben sie mit ihren Tricks dazu gebracht, daß ich es zugegeben habe, was ich Henry allerdings nicht erzählt habe. Wenn du mich fragst, in Wirklichkeit glaubten sie, er und Bunny hätten irgendwelches Geld in Clokes Rauschgiftgeschäfte gesteckt. Diese Reise nach Rom war ein großer Fehler. Sie hätten sich unauffällig verhalten können; aber Henry hat ein Vermögen ausgegeben, hat das Geld rausgepulvert wie ein Verrückter. Sie haben in einem Palazzo gewohnt, Herrgott noch mal. Ich meine, du kennst Henry; er ist einfach so, aber du mußt es mal von ihrem Standpunkt aus betrachten. Seine Krankheit muß ja auch ziemlich verdächtig ausgesehen haben. Telegrafiert einem Arzt in den Staaten, daß er Demerol haben will. Und dann die Tickets nach Südamerika. Daß er sie mit seiner Kreditkarte bezahlt hat, war das Dümmste, was er je getan hat.«
    »Das haben sie herausgefunden?« Ich war entsetzt.
    »Natürlich. Wenn sie jemanden wegen Rauschgifthandels verdächtigen,

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