Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)
Sorge, keine Sorge«, sagte er und schob sich wieder auf seinen Stuhl. »Alles in Ordnung.«
»Was hast du gemacht?«
»Henry angerufen.«
»Er kommt?«
»In zwei Sekunden.«
»Ist er sauer?«
»Nee«, sagte Bunny und wischte diesen Gedanken mit einer kurzen Handbewegung beiseite. »Er macht das gern. Unter uns gesagt, ich glaube, er ist verdammt froh, mal aus dem Haus zu kommen.«
Nach vielleicht zehn äußerst unbehaglichen Minuten, in denen wir so taten, als nippten wir die Reste unseres eiskalten Kaffees, kam Henry herein, ein Buch unter dem Arm.
»Siehst du?« flüsterte Bunny. »Ich wußte, er kommt. Oh, hallo«, sagte er, als Henry an unseren Tisch kam. »Junge, bin ich froh, dich zu sehen –«
»Wo ist die Rechnung?« fragte Henry mit tonloser, giftiger Stimme.
»Hier, bitte, alter Freund«, sagte Bunny und fummelte zwischen Tassen und Gläsern. »Tausend Dank. Ich bin dir wirklich sehr verbunden –«
»Hallo«, sagte Henry kalt und sah mich an.
»Hallo.«
»Wie geht’s?« Er war wie ein Roboter.
»Prima.«
»Das ist gut.«
»Da ist sie, alter Knabe.« Bunny hatte die Rechnung gefunden.
Henry schaute mit kaltem Blick auf die Summe; seine Miene war regungslos.
»Tja«, sagte Bunny kameradschaftlich, und seine Stimme dröhnte durch die angespannte Stille, »ich würde mich dafür entschuldigen, daß ich dich von deinem Buch weggezerrt habe, wenn du es nicht mitgebracht hättest. Was hast du denn da? Was Gutes?«
Ohne ein Wort reichte Henry es ihm. Die Schrift auf dem Umschlag gehörte zu irgendeiner orientalischen Sprache. Bunny starrte einen Augenblick lang darauf und gab das Buch dann zurück. »Das ist nett«, sagte er matt.
»Bist du soweit?« fragte Henry abrupt.
»Sicher, sicher«, sagte Bunny hastig, und als er aufsprang, hätte er fast den Tisch umgeworfen. »Du brauchst nur das Zauberwort zu sprechen. Undele, undele . Jederzeit, wenn du willst.«
Henry bezahlte, und Bunny drückte sich hinter ihm herum wie ein unartiges Kind. Die Heimfahrt war eine Qual. Bunny saß auf dem Rücksitz und unternahm reihenweise brillante, aber zum Scheitern verurteilte Versuche, eine Konversation zu eröffnen; einer nach dem anderen loderte auf und verlosch, während Henry den Blick auf die Straße gerichtet hielt und ich vorn neben ihm saß und am Aschenbecher herumfummelte, ihn herausfahren und wieder einrasten ließ, bis ich merkte, wie aufreizend das war, und mich mit einiger Anstrengung zwang aufzuhören.
Er fuhr zuerst bei Bunny vorbei. Bunny brüllte eine Kette von unzusammenhängenden Freundlichkeiten, klopfte mir auf die Schulter und sprang aus dem Wagen. »Ja, also, Henry, Richard, da
wären wir. Schön. Prima. Vielen Dank – tolles Essen – na, dann, Wiedersehen, ja, ja, goodbye –« Die Tür schlug zu, und er flitzte schnellen Schritts den Weg hinauf.
Als Bunny im Haus war, sah Henry mich an. »Es tut mir sehr leid«, sagte er.
»O nein, bitte«, wehrte ich verlegen ab. »Ein kleines Mißverständnis. Ich zahl’s dir zurück.«
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, und zu meiner Überraschung sah ich, daß sie zitterte. »Fällt mir im Traum nicht ein«, sagte er. »Es war seine Schuld.«
»Aber ...«
»Er hat gesagt, er lädt dich ein. Nicht wahr?«
Seine Stimme hatte einen leicht anklagenden Ton. »Na ja«, sagte ich.
»Und ganz zufällig hat er seine Brieftasche zu Hause gelassen.«
»Das ist schon in Ordnung.«
»Das ist nicht in Ordnung«, blaffte Henry. »Es ist ein scheußlicher Trick. Woher solltest du es wissen? Er vertraut darauf, daß jeder, mit dem er gerade zusammen ist, im Handumdrehen jede Menge Kohle parat hat. Er denkt niemals darüber nach, weißt du, wie peinlich das alles für jeden ist. Außerdem – wenn ich nun nicht zu Hause gewesen wäre?«
»Ich bin sicher, er hat es wirklich nur vergessen.«
»Ihr seid mit dem Taxi hingefahren«, sagte Henry knapp. »Wer hat das bezahlt?«
Automatisch wollte ich protestieren und brach dann ab. Bunny hatte das Taxi bezahlt. Er hatte sogar ein großes Getöse darum gemacht.
»Siehst du«, sagte Henry. »Er ist nicht einmal besonders gerissen dabei, nicht wahr? Es ist schlimm genug, daß er es mit jedem macht, aber ich muß doch sagen, ich hätte nicht gedacht, daß er die Stirn hat, es mit einem völlig Fremden zu probieren.«
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Schweigend fuhren wir zum Vordereingang von Monmouth House.
»So, bitte sehr«, sagte er. »Es tut mir leid.«
»Es ist wirklich
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