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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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endlosen Fernsehserien – ewiges Gelclammere, ewige Klagen, ewige Parkplatzgeständnisse von »Unzulänglichkeitsgefühlen« und »minderwertigem Selbstbild«, all die banalen Leiden. Sie war einer der Hauptgründe gewesen, weshalb ich so versessen darauf gewesen war, von zu Hause wegzukommen; sie war außerdem einer der Gründe dafür, daß ich so sehr auf der Hut vor den strahlenden, scheinbar harmlosen Scharen neuer Mädchen war, die ich in den ersten Wochen in Hampden kennengelernt hatte.
    Der Gedanke an sie hatte mich ernüchtert. Bunny lehnte sich über den Tisch.
    »Ist es eigentlich wahr«, sagte er, »daß die Mädels in Kalifornien hübscher sind?«
    Ich fing an zu lachen, so heftig, daß mir mein Drink fast aus der Nase spritzte.
    »Bikinischönheiten?« Er zwinkerte. »Strandmattenmuschis?«
    »Darauf kannst du wetten.«
    Er freute sich. Wie ein leutseliger alter Onkel lehnte er sich noch weiter über den Tisch und fing an, mir von seiner eigenen Freundin zu erzählen, die Marion hieß. »Ich weiß, du hast sie schon mal gesehen«, sagte er. »So’n kleines Ding nur. Blond, blaue Augen, ungefähr so groß?«
    Tatsächlich läutete da eine Glocke bei mir. Ich hatte Bunny mal im Postzimmer gesehen, in der ersten Woche in der Schule, und da hatte er ziemlich wichtigtuerisch mit einem Mädchen geredet, auf das diese Beschreibung paßte.
    »Jawoll«, sagte Bunny stolz und strich mit dem Finger über den Rand seines Glases. »Das ist mein Mädel. Die hält mich an der Leine, das kann ich dir sagen.«
    Diesmal erwischte er mich beim Schlucken, und ich lachte so heftig, daß ich beinahe erstickt wäre.
    »Und sie hat eine Ausbildung als Kindergärtnerin; findest du das nicht hinreißend?« sagte er. »Ich meine, sie ist ein echtes Mädel .« Er breitete die Hände aus, als wolle er einen beträchtlichen Abstand zwischen ihnen andeuten. »Langes Haar, ein bißchen Fleisch auf den Knochen, hat keine Angst, auch mal ein Kleid anzuziehen. Mir gefällt das. Kannst mich altmodisch nennen, aber ich stehe nicht auf diese Intelligenzbestien. Nimm zum Beispiel Camilla. Sie ist lustig und ein guter Kumpel und das alles ...«
    »Komm«, sagte ich, immer noch lachend. »Sie ist wirklich hübsch.«
    »Ist sie, ist sie«, pflichtete er mir bei und hob versöhnlich die Hand. »Ein reizendes Mädchen. Hab’ ich immer gesagt. Sieht aus wie die Statue der Diana im Club meines Vaters. Ihr fehlt bloß die feste Hand einer Mutter – aber trotzdem, ich würde sagen, sie ist eine Heckenrose im Gegensatz zur hybriden Teerose. Gibt sich nicht soviel Mühe, wie sie sollte, weißt du. Und rennt die halbe Zeit in den schlampigen alten Klamotten ihres Bruders rum, was sich manche Mädchen vielleicht leisten könnten – na, ehrlich gesagt, ich glaube nicht, daß irgendein Mädchen es sich wirklich leisten kann, aber sie kann es bestimmt nicht. Hat zuviel Ähnlichkeit mit ihrem Bruder. Ich will damit sagen, Charles ist ein gutaussehender Bursche und in jeder Hinsicht ein tadelloser Charakter, aber heiraten würde ich ihn nicht, oder?«
    Er war jetzt in Fahrt und wollte noch etwas anderes sagen; aber dann brach er plötzlich ab, und seine Miene wurde sauer, als sei
ihm etwas Unangenehmes eingefallen. Ich war verwirrt, aber auch ein bißchen erheitert; hatte er Angst, er könnte zuviel gesagt haben oder töricht klingen? Ich suchte nach einer Möglichkeit, rasch das Thema zu wechseln, um ihm aus der Klemme zu helfen, aber da drehte er sich auf seinem Stuhl um und spähte mit schmalen Augen durch den Raum.
    »Guck mal da«, sagte er. »Meinst du, das ist für uns? Zeit wär’s.«
     
    Wir aßen gewaltige Mengen an diesem Nachmittag – Suppen, Hummer, Patés, Mousses, eine Speisenfolge von abscheulicher Vielfalt und Menge –, aber wir tranken noch mehr: drei Flaschen Taittinger auf die Cocktails, und darauf Brandy. So kam es, daß unser Tisch nach und nach zum Dreh- und Angelpunkt des Raumes wurde, um den sich in schwindelerregendem Tempo alles drehte und verwischte. Unaufhörlich trank ich aus Gläsern, die unaufhörlich wie durch Zauberei vor mir erschienen, und Bunny brachte Toasts auf alles mögliche aus, von Hampden College bis zu Benjamin Jowett und den perikleischen Athenern. Seine Trinksprüche wurden im Laufe der Zeit zotiger und zotiger. Als der Kaffee kam, wurde es schon dunkel, und Bunny war inzwischen so betrunken, daß er den Kellner bat, uns zwei Zigarren zu bringen, und er brachte sie zusammen mit der Rechnung, die mit

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