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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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heute zum Üben zur Verfügung? Die botte, die du mir gezeigt hast, beherrsche ich noch nicht ganz.«
    »Heute nicht, ich wollte nur Achille sehen.«
    »Schuldet er dir noch immer zwei Kronen, Nicolas?«
    »So gewiß, wie ich Schulden in den ›Vier Elementen‹ habe«, sagte Nicolas.
    »Etwas zu trinken… bleib ein Weilchen bei uns.«
    »Das geht nicht. Geschäfte…« Nicolas war bereits durch die Tür hinter den Fässern verschwunden.
    »Weißt du, was für Geschäfte das sind?« fragte einer der Zecher den anderen, sowie er außer Hörweite war. »Er steigt irgendeiner Hofdame durch die ganze Stadt nach wie ein krankes Kalb und sucht nach Gelegenheiten, sie anzusprechen.«
    »Unser Nicolas? Dem liegt doch jede Frau zu Füßen. Er sieht gut aus, sein Vater ist reich, und er ist ein vermaledeit guter Fechter. Das sollte jeder Frau genügen…«
    »Dieser aber nicht. Hochnäsige Familie, fein, schreibt Gedichte, und ein Mann mit Titel ist hinter ihr her.«
    »Einer mit Titel? Armer Nicolas – dann zieht er wohl den kürzeren.«

    Nachdem seine Gicht vorübergehend auskuriert war, brachen Nostradamus und sein Diener auf zwei übellaunigen königlichen Postpferden nach Schloß Blois auf, wo man die königlichen Kinder, abgeschirmt von der neuesten Krankheit bei Hofe, einquartiert hatte. Trotz der lauen Herbstluft und der Schönheit des trägen grünen Flusses, dessen Ufern er folgte, empfand Nostradamus die Reise als unerquicklich. Der Gasthofbesitzer der Drei Könige in Orléans hatte ihm zuviel abgenommen, und ein Gericht, nämlich gekochte Kutteln, nach dem ihn gelüstet hatte, war ihm auf den Magen geschlagen. Dann hatte Leons Pferd unweit Beaugency ein Hufeisen verloren, und selbst als er den Befehl der Königin vorzeigte, beeilte sich der dickköpfige Dorfschmied durchaus nicht. Nostradamus stand an der Tür der strohgedeckten Schmiede, musterte die vorbeifahrenden Boote auf dem Fluß und beschloß, nie mehr zu reisen, wer auch immer es anordnen mochte. Gauricus verschickte seine Horoskope schließlich auch mit der Post, und niemand verlangte von ihm, daß er auf schlechten Pferden ritt, sich den Magen verdarb und mit begriffsstutzigen Schmieden verhandelte, und das alles für ein völlig unzureichendes Honorar.
    Sein Entschluß festigte sich noch, als er die Wachposten im Hof des Schlosses erreichte und hören mußte, daß er als Dienstbote eine dunkle Hintertreppe benutzen solle. Erst nach großem Aufstand und mehreren Botschaften hin und her an M. de Humières, den Betreuer der Kinder, kam Nachricht, daß in diesem Fall, und nur in diesem Fall, dem berühmten Maistre Nostredame die achteckige Freitreppe zur Verfügung stehe. Während Léon, mit Büchern und Instrumenten beladen, hinter ihm die Stufen hochächzte, wirkte Nostradamus wie in tiefe philosophische Gedanken versunken, seine Lippen bewegten sich stumm und formten geheimnisvolle Worte. Hätten die beeindruckten Diener und Gaffer die mystischen Worte mitbekommen, so hätten sie gehört: Die Sache ist es nicht wert. Zeitverschwendung. Nächstes Mal Postzustellung.
    Nach einer Beratung mit M. de Humières und einer Überprüfung des Befehls der Königin, für alle Kinder – auch für die Königin der Schotten – Horoskope zu erstellen, wies man Nostradamus ein Zimmer mit Blick auf einen Teil des Daches vom Kapellenmittelschiff und auf ein halbes Dutzend neugierige Tauben an. Das Bett war widerlich klamm, und die Kerzen bestanden nicht aus Bienenwachs, sondern aus Unschlitt, genau die Sorte, von deren Geruch er Kopfschmerzen bekam. Nie wieder, beschloß er. Falls Frankreich gerettet werden muß, kann es auch per Post geschehen.
    Am darauffolgenden Morgen, gestärkt durch ein wirklich hervorragendes Frühstück – angenehm zarte Brötchen, ein köstliches Gericht Räucherfisch und frische Butter –, machte er sich daran, sich die königlichen Kinder anzusehen. Diener, Edelleute und Zofen, außerdem Monsieur und Madame de Humières höchstpersönlich drängten sich in dem langen blaubemalten Saal. Dazu gesellten sich noch mehrere große Jagdhunde, drei Zwerge, einer mit einem gezähmten Papagei, und eine Dame mit einem weißen Frettchen an silberverzierter Leine.
    Doch noch ehe Franz, der Thronerbe, hereingeführt wurde, hatte der gewitzte alte Doktor auf einmal das Gefühl, Blei im Magen zu haben, und das war nicht das Frühstück. Er wußte Bescheid. Trotz der pulsierenden, wirren Aura der Menge rings um ihn konnte er die graue zitternde Luft um

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