Die geheime Mission des Nostradamus
reichverziertes Tintenfaß, das von drei Amoretten getragen wurde, und kritzelte oben auf die leere Seite: »Cosmo Ruggieri, 43, gedrungen und dunkelhaarig.«
»Was soll das?« fragte Ruggieri neuerlich besorgt. Er hatte in seinen Diensten bei den Medici so manche Liste gesehen, die bei Sternenschein, heimlich und mit verstohlenen Blicken erstellt worden war. Listen von Feinden, Todeslisten.
»Ei, ich habe mir gedacht, Ihr würdet Euch gern mit einer guten, alten französischen Familie verbinden und dazu vielleicht noch ein wenig Geld und einen Titel bekommen.« Schweißperlen standen auf Ruggieris Stirn, und seine Blicke suchten verzweifelt nach einem Ausweg. Erblich, diese Ader für Ironie, dachte er, dieses Katz-und-Maus-Spiel mit den Verurteilten. Und nun war sie schließlich auch bei der Duchessina durchgebrochen. Warum er, warum er? Jetzt benötigte er die Schatulle mehr denn je, dann konnte er sich von der Todesliste wegwünschen, die die Königin so beiläufig aufstellte, wie sie sich das Haar frisieren ließ.
»Ha! Seht nur, wie er rennt«, sagte die Königin.
»Seid Ihr sicher, daß er auch…«
»Ach, vielleicht doch nicht. Schließlich, warum sollte ich ihm durch eine Heirat mit ihr die Schatulle zuspielen? Laßt Euch jemand anders einfallen. Einen alten Speichellecker, der leicht zu täuschen ist.«
»Was ist mit dem geizigen Tappergreis, der meinen Gemahl ständig um Gefallen angeht – dieser Bankier – ach, wie heißt er noch… Monteverdi, nein, Monsieur Montvert. Ist der noch verheiratet? Nein? Hat er einen Sohn oder Neffen?«
»Es gibt, glaube ich, einen Sohn.«
»Gut, schreibt den auch auf. Und besorgt mir noch ein paar. Ich lasse Euch wissen, wenn mir weitere einfallen…«
Laut Dekret Heinrichs II. waren Fechtschulen, diese Sammelbecken von Gesindel und Kaufmannssöhnen, innerhalb der Mauern von Paris verboten. Doch in einer verrufenen Gasse, die von der Rue St. Jehan am Linken Ufer abging, gab es im Schwarzen Eber hinter der Schänke einen langen Raum, aus dem das Geklirr von Schwertern zu hören war. Falls zufällig ein grauhaariger alter escrimeur aus der Zeit von König Franz anwesend war, falls sich Studenten und Hufschmiedsöhne zufällig in Selbstverteidigung übten, falls zufällig Geld den Besitzer wechselte – wen ging das schon etwas an. Der Besitzer des Schwarzen Eber, der schwerhörig zu sein schien, hatte keine Ahnung, woher der ganze Lärm rührte, obwohl die Kundschaft für seinen sauren Wein und das billige Bier regelmäßig durch die niedrige Hintertür hinter den Fässern in die Schänke strömte.
Eine hochgewachsene Gestalt durchmaß rasch diese dumpfige Trinkerhöhle, bahnte sich einen Weg vorbei an besetzten Tischen und Betrunkenen, die auf dem harten Lehmfußboden lagen.
»Hoppla! Das ist Nicolas, der Italiener!«
»Nicolas, ich dachte, Ihr kommt heute nicht!«
»Nicolas, was macht die Dame? Noch immer nicht angebissen?«
Es war eigenartig, aber etwas geschah mit Nicolas, als er durch den Raum in Richtung der salle ging. Er ließ die Schultern nicht mehr hängen, schlenderte auch nicht mehr lässig, sondern ging kerzengerade mit raschem Schritt, der Blick fest und durchdringend wie der eines Adlers. Hier war er am richtigen Platz, hier würde es niemand wagen, für ihn zu beten und zu brabbeln und ihn einen verlorenen Sohn zu nennen. Hier war der Ort, wo sich die Zeit, die er in ganz Europa vertan hatte, als nicht umsonst erwies. Hier war der Ort, wo ihn ausgebuffte Bösewichter grüßten, wenn er sich in sein schweres Plastron aus Leder schnürte und zum Übungsflorett griff, auf dessen Spitze ein Korken steckte, damit niemandem die Augen ausgestochen wurden. Nicolas Montvert war ein Taugenichts und ein Träumer. Doch Nicolas, der Italiener, hatte freudig seine Studien der Rechte, der Philosophie und Theologie an verschiedenen Universitäten Italiens aufgegeben zugunsten der hohen Kunst des Fechtens nach der neuesten Mode. Nun war er ein außergewöhnlich guter Rapierfechter der italienischen Schule und erwies sich auch als geschickt in der Kombination von Rapier und Dolch, Rapier und Umhang oder selbst mit dem altmodischen Schwert und dem runden Schild. Sein Vater hätte ihn in Maestro Achilles' Fechtschule nicht wiedererkannt. Und falls doch, so wäre er entgeistert gewesen.
»Sprich den Namen meiner Dame aus, Jean-Claude, und du bist ein toter Mann«, sagte Nicolas, doch es hörte sich fröhlich an.
»Aber, aber, das war doch nur Spaß. Stehst du
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