Die geheime Mission des Nostradamus
einmal ihrer engsten Gefährtin traute, trug sie die Arznei eigenhändig, so als ob sich ihre mütterlichen Gefühle geradewegs durch das Porzellan übertragen könnten. Doch auf der Schwelle blieben sie stehen. Sie kamen bereits zu spät. Die Herzogin von Valentinois stand neben dem großen Himmelbett, in dem die Tochter der Königin lag. Hinter ihr hielt ein Leibarzt ein Gefäß mit Urin vors Fenster und prüfte die Farbe. Ein anderer Leibarzt in langer Robe erteilte einem Chirurgen Anweisungen, der bereits eine Ader am Handgelenk geöffnet und eine Kupferschale unter den Arm gestellt hatte, die das herauslaufende dunkle Blut auffing. Neben dem Bett bei der Herzogin stand das hochgewachsene, tizianrote Mädchen, Elisabeths beste Freundin – die Königin der Schotten, der Guise-Schützling der Herzogin.
Beim Anblick der Königin blickten alle auf und verstummten jäh.
»Ich bringe meiner Tochter eine Arznei«, sagte Katharina von Medici und trat unter allgemeinem Stillschweigen näher.
»Eine Arznei?« fragte Diana, wölbte eine Braue und konnte nur knapp ein herablassendes Lächeln verbergen.
»Geranienpulver«, sagte die Königin.
»Fernel hat uns bereits beraten«, erwiderte Diana.
Der bärtige Arzt mit dem Uringefäß drehte sich um und verbeugte sich tief vor der Königin. »Erlauchte Majestät, ich habe eine Reihe von Aderlässen angeordnet, bei diesen Fällen unfehlbar.«
»Das sehe ich.« Die Königin musterte ihre bleiche Tochter, deren Lebensblut in das Becken rann.
»Mutter, ich möchte lieber deine Arznei einnehmen«, flehte Elisabeth.
»Unfug«, erwiderte die Herzogin. »Damit stört Ihr nur die Behandlung. Vertraut Euren Leibärzten, meine Liebe. Ich habe die besten im Königreich gerufen. Eure Mutter hätte sich gar nicht zu bemühen brauchen.«
»Das sehe ich«, wiederholte Katharina mit eisiger Stimme.
Doch als sie sich zum Gehen wandte, hörte sie, wie die Herzogin der Königin der Schotten zuflüsterte: »Die drei Kugeln der Medici… mir scheint, es sind Apothekerpillen.« Die Heranwachsende kicherte.
Draußen vor der Tür blieb die Königin stehen und holte tief Luft. Ihre Augen funkelten, doch ihre Stimme war frostig. »Lucrèce«, sagte sie mit eherner Miene. »Laßt Demoiselle de la Roque holen.«
»Majestät…« Lucrèce Cavalcanti war blaß geworden.
»Ich wünsche, daß meine Tochter einen höheren Rang als die Königin der Schotten bekommt und daß meine Kinder die Herzogin von Valentinois im Staub vor sich kriechen sehen.«
»Aber das Ding… Es ist verflucht«, flüsterte ihre dame d'honneur.
»Das kümmert mich nicht. Heute abend werde ich Menander dem Unvergänglichen befehlen, all meinen Kindern einen Thron zu verschaffen und meine Tochter Elisabeth so hoch zu stellen, daß Diana von Poitiers – diese unfruchtbare alte Hexe – es nicht wert ist, ihr die Schuhe zuzuschnüren.«
»Das mußt du einatmen! Das schwefelhaltigste Wasser ganz Frankreichs. Man riecht förmlich, wie gesund es ist. Sibille, bald schon schüttelst du deine trübe Stimmung ab und bist wieder die alte.« Wir hatten unser Gepäck mit dem des Abbé in unseren Räumen im Badeort gelassen und uns zur Inspizierung des Bades aufgemacht. Im Hintergrund glitzerte der See, auf dem hier und da ein Schwan oder ein Lustboot still in der Sonne dahinglitt. Auf einem Uferpfad ergingen sich alte Damen am Arm von Badewärtern und hofften auf den Ruf der Natur, der dem Genuß von Heilwasser zu folgen pflegt. Vor uns lag das steinerne Badehaus mit seinen Umkleideräumen, Wannen, Masseuren und schattigen Bogengängen hinter der hohen Umfassungsmauer des Hauptbades verborgen. Hier konnte man sich vom ortsansässigen Chirurgen schröpfen oder seinen Urin von einem geschulten Doktor untersuchen lassen. Hinter der Mauer hörten wir die einladenden Geräusche Badender, die im großen Freibad herumplanschten, nach den Badewärtern riefen und plauderten. Und über allem lag der Gestank nach Schwefel wie eine Wolke – geradewegs aus der Hölle.
»Verzeihung, ma tante, aber es riecht, als ob tausend faule Eier auf einmal aufgeschlagen worden wären. Gewißlich fühlt man sich allein schon deswegen besser, weil man diesen Ort endlich verlassen darf.«
»Merkst du etwas? Du wirst munterer, dein Witz stellt sich wieder ein. Bald bist du so inspiriert, daß du dein schönes Epos über das Leben der Königin Clothilde vollenden kannst. Du hast zu lange Trübsal geblasen; es ist offensichtlich deine Leber, wie Doktor Lenoir
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