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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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hier wird dir unendlich guttun.«
    »Alle miteinander?« fragte der Badewärter am Eingang und musterte unsere Prozession, denn wir boten wohl einen noch wunderlicheren Anblick als der alte Herr in der Sänfte. Allen voran trippelte der verschrumpelte Abbé mit seinem großen Hut und der schwarzen Robe, die Augen funkelnd und forschend wie die eines Eichhörnchens. An seinem Arm hing seine alte Mutter, mit ihren gebrechlichen Knochen kaum noch in der Lage zu gehen, danach kam Tante Pauline, riesig und prächtig in gelber Seide, die sich auf ihren Spazierstock mit dem Silberknauf stützte. Ihr folgte ein Lakai, der ihr einen Sonnenschutz aus geblümtem Musselin über den Kopf hielt. Als nächstes kam ich selbst, groß und mit Leichenbittermiene, sodann zwei Lakaien, beladen mit Tüchern und Bademänteln.
    »Alle«, sagte der Abbé und drückte ihm ein hübsches Trinkgeld in die Hand.
    Ich hatte noch nie ein Bad betreten, denn ich war nicht nur immer kerngesund gewesen, sondern Vater verabscheute Bäder, behauptete, sie seien der reinste Sündenpfuhl, in dem sich Männer und Frauen orgiastischen Lustbarkeiten hingäben, und nur ein so schlechter Mensch wie seine Schwester könne auf solch unerhörtem Benehmen beharren. Doch das große Bad innerhalb der Bogengänge sah mir eher wie die Folge der Sünde aus als wie die Sünde selbst, es ähnelte den Gemälden in Kirchen, auf denen die Seelen der Verdammten in dampfenden Schwefelbecken gesotten werden. Das Becken hatte flache Stufen, die ins Wasser führten, und Männer an Krücken, Frauen, verkrümmt wie Zwerge, und sogar bleiche Kinder mit verkümmerten und nutzlosen Gliedmaßen wurden von Badewärtern ins Wasser geführt. An einem Ende des Beckens hatte man ein Zeltdach errichtet, und dort verhalf man Tantchen zu einem Sitzplatz auf den Stufen im Wasser, wo sich ihr riesiges Hemd um ihren Körper bauschte. Dort war sie auf der Stelle von einer Reihe anderer alter Damen umringt, und man tauschte sich so schnell über die unterschiedlichen Zipperlein aus, daß ich kaum noch mitkam. Über allem hing der widerliche Geruch wie ein Fluch. Und was mich betraf – ich konnte nur beten, daß mich niemand bemerkte, so schlaksig im nassen Hemd, das mir am Leib klebte. Wo konnte ich mich verstecken? Ich mußte tiefer ins Wasser, mußte mich mitten im Bad hinhocken, damit das Wasser mir bis ans Kinn reichte.
    »Sibille, Sibille«, hörte ich meine Patin rufen. »Hierher… Hier sind ein paar Damen, die du unbedingt kennenlernen mußt!« Ich hatte die Augen geschlossen und tat, als hätte ich nichts gehört.
    »Geh aus der Sonne, Sibille, du verdirbst dir den Teint!«
    Ich wandte den Kopf, wollte wissen, woher die Worte kamen, und erblickte die alten Damen mit auf und ab hüpfenden Köpfen unter dem Zeltdach. Wenigstens bist du nicht so alt wie die da, meldete sich ein verwerflicher Zug meines Charakters zu Wort. Bekümmert dachte ich an die häßlichen frischen Narben, die meine linke Hand und den linken Arm bedeckten. Auch wenn ich noch so jung bin, meine hübsche Hand ist entstellt. Ich bewegte die Finger. Die Narben spannten noch immer und sahen gräßlich aus, rot und wulstig.
    Ein gebrechlicher Knabe mit gelähmten Gliedmaßen wurde von den Badewärtern ins Wasser getragen. Er hätte mir eigentlich leid tun müssen. Doch mein nichtswürdigeres Selbst sagte, da bist du mit deinem narbigen Arm noch besser dran. Wieder mischte sich mein schlechtes Gewissen ein: Schäm dich! Statt Mitleid mit den Unseligen ringsum zu empfinden, geht es dir allmählich besser, weil du siehst, daß andere Menschen noch schlechter dran sind als du. Während die Gewissensbisse noch an mir nagten, ging ich in dem übelriechenden Wasser langsam auf die schattige Stelle unter dem Zeltdach zu.
    »Na endlich!« rief Tantchen. »Sibille, ich könnte schwören, ich sehe eine Sommersprosse. Du mußt dich wirklich mehr in acht nehmen!« Und die Damen ließen von ihrem Thema ab, bei dem es um eine Frau ging, deren Gebärmutter sich nach der Geburt ihres vierten Kindes gesenkt hatte, um sich meines Falles anzunehmen, den sie herrlich skandalös fanden.
    »Nicht auszudenken! Ein gedungener Angreifer mit Vitriol! Meine Gute, habt Ihr ein Glück gehabt, daß Euch die Heirat mit diesem Menschen erspart geblieben ist!« Damit hatten sie gewiß recht. Es war mir in der Tat erspart geblieben, Villasse zu heiraten. Während sie plauderten, spürte ich, wie meine düstere Stimmung wich.
    »Ei, die Narbe ist gar nicht so

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