Die geheime Mission des Nostradamus
treffen und seine bittere Verbannung mit ihm teilen wolle.
»Ach, das arme Geschöpf, das arme Geschöpf, es ist gestorben, um mich vor dem gräßlichen Ding zu erretten.« Ich streckte die Hand aus, um meinen lieben, aufopfernden Gargantua zu streicheln. Doch dann geschah etwas Entsetzliches:
Mit einem Ruck riß die arme Kreatur die Augen auf, in denen blankes Entsetzen stand. Der Hund gab ein ersticktes, gurgelndes Geräusch von sich und erbrach, ohne den Kopf zu heben, eine gelbe Flüssigkeit mit braunen, ekligen Stückchen. Bei diesem widerwärtigen Anblick vergaß ich ganz meine Verletzung und sprang auf. Und dann sah ich, wie sich die Stückchen zu größeren Stücken zusammenfügten, wie sich auch die größeren Stücke zusammenfügten…
»Ahhh!« schrie Baptiste entsetzt. »Er lebt noch!« Sogar der Affe hörte auf zu plappern und zu hüpfen, hockte sich auf die Vorhangstange und sah sich das Ganze neugierig an.
»Mein Hund… Gargantua… oh, er lebt, er lebt!« rief ich und war hin und her gerissen zwischen Freude, daß mein Liebling am Leben war, und Ekel, als ich sah, wie sich der gräßliche Menander erneut zusammenfügte. Jetzt krochen die braunen Zähne mit ihren vertrockneten Wurzeln wie eklige Insekten über den Teppich und suchten blindlings nach dem Kieferknochen, aus dem sie herausgerissen worden waren. Die Schädelfragmente wackelten und flitzten aufeinander zu, fanden zueinander und fügten sich an ihrem Platz ein.
»Nie, niemals in siebzehn Jahrhunderten habe ich eine solche Erniedrigung hinnehmen müssen«, klagte Menander der Unvergängliche und schüttelte ein wenig den Kopf, als er es sich in seinem Kasten bequem machte, so wie sich ein Mensch nach einem harten Tag ins Bett kuschelt. »Der größte Magus aller Zeiten, der sich aus einem Hundemagen neu zusammensetzen muß!« Der Affe, der es sich inzwischen auf der Vorhangstange bequem gemacht hatte, fletschte die Zähne in Richtung Menander. Irgendeine gute Seite muß er doch wohl haben, schoß es mir durch den Kopf, wenn er diese alte Mumie so sehr haßt, daß er sie auf den Fußboden wirft. Nicht etwa, daß Señor Alonzo dadurch liebenswerter geworden wäre.
»Mein armer, süßer, tapferer Gargantua, geht es dir besser?« sagte ich und streichelte meinem Hund Rücken und Bauch, während ich seinen Kopf in Tränen badete.
Er wiederum belohnte mich mit einem matten Schwanzwedeln, und da sagte doch dieser abscheuliche mumifizierte Kopf: »Alles für einen Hund? Du bist das gefühlsduseligste, hirnloseste Frauenzimmer, das jemals zur Feder gegriffen hat.«
»Deine Meinung ist mir einerlei. Ich liebe meinen Hund, das ist alles.«
»Er ist ein mißratenes Ungeheuer, auf das kein Mensch mit einem Fünkchen Verstand Liebe verschwenden würde.«
»Er ist einfach vollkommen, treu und liebevoll, und er hat sein Leben riskiert, um mich vor dir zu erretten.«
»Er hat es für einen kleinen Imbiß riskiert, dummes Weibsbild. Das hätte er auch für eine verfaulte Schinkenrinde auf dem Abfallhaufen getan.«
»Dummes Zeug. Wer wie du kein Fünkchen Ehre im Leibe hat, kann sie bei anderen Wesen auch nicht erkennen.«
»Ehre, daß ich nicht lache! Nach allem, was ich für dich getan habe, solltest du um mich weinen und mich streicheln! Wo wärst du wohl mit deinen gräßlichen Gedichten ohne die Gunst der Königin, die ich dir gratis verschafft habe? Ich hätte nicht übel Lust, dir auch einmal übel mitzuspielen.«
»Baptiste«, sagte ich und strich mein Kleid glatt, »ich stehe unter Schock, ganz furchtbarem Schock. Bring mir ein Gläschen von dem Stärkungsmittel, das Tantchen unter ihrem Bett verwahrt, sonst falle ich noch in Ohnmacht und werde sterbenskrank. Und schick Marie hoch – sie soll die Schweinerei auf dem Teppich beseitigen.« Ich seufzte abgrundtief. Keine Freiheit. Keine Verbannung. Nur weitere Anforderungen von der Königin, und keine Erlaubnis, mich außerhalb ihrer Reichweite zu begeben. Weitere langweilige Geheimzimmer, weitere Stunden öder Schwarzer Magie und von den Mächtigen weitere geheime Wünsche, die sich stets als die allergewöhnlichsten herausstellten. Und dabei wollte ich nichts außer Nicolas' unsterbliche Liebe – ohne unsterbliche Köpfe, die im Dunkeln, wenn ich schlafen will, häßliche Bemerkungen machen. »Na ja, Gargantua, wenigstens hast du es versucht.« Ich setzte mich auf mein Bett, jedoch behutsam, weil ich mein schmerzendes Steißbein nicht zu sehr strapazieren wollte. Er blickte mich mit
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