Die geheime Mission des Nostradamus
hängender rosa Zunge an und klopfte munter mit dem Schwanz auf den Teppich, so als hätte er nie versucht, das widerlichste Futter auf der ganzen Welt zu fressen.
Als Baptiste das Zimmer verließ, rief Menander ihm nach: »Du könntest dir eine bessere Stellung wünschen.« Baptiste antwortete mit einem geknurrten: »Du bringst mich nicht dazu, daß ich mir von einem heidnischen redenden Kopf etwas wünsche…«
Der Geruch nach schmutzigen Windeln und Kohl drang bis in das kleine Empfangszimmer des Zauberers. Der große Mann rümpfte die Nase und nahm behutsam Platz, so als könnte er sich auf dem dunklen, niedrigen Holzstuhl, auf den er sich gesetzt hatte, eine ansteckende Krankheit holen. Zum Besuch in diesem Teil der Stadt hatte er alte Kleider angezogen, eine altmodische dunkle Kniehose aus Wolle und ein Wams, darüber einen schlichten schwarzen Wollumhang. Es war ein hünenhafter, finsterer Mann, der sich den schwarzen Biberhut auf dem fettigen, ergrauenden Haar so tief in die Stirn gezogen hatte, daß er fast auf der Augenklappe saß, die sein linkes Auge bedeckte. Beim Reden trommelte er ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch.
»Maestro Lorenzo, das mit dem Vitriolöl hat nicht geklappt.«
»Aber, Monsieur, gewißlich hat es gebrannt. Es war beste Qualität«, entgegnete Lorenzo Ruggieri.
»Es hat gewaltig gebrannt, aber das Ganze stand unter einem Unstern, sie konnte ausweichen und so ihr Gesicht retten.«
»Aha, davor hatte ich Euch gewarnt. Bei Vitriol ist Gelegenheit alles. Man muß ganz nahe ans Ziel heran, sonst verfehlt man es. Ein Todeszauber dagegen ist eine ganz andere Sache. Einem Todeszauber kann man weder ausweichen, Monsieur Villasse, noch sich vor ihm verstecken, selbst nicht an den entferntesten Flecken der Erde.«
»Ein Zauber? Diesem Zauber mißtraue ich. Woher soll ich wissen, daß ich bekomme, wofür ich gezahlt habe? Nein, ich will etwas Stärkeres, etwas, das ganz sicher wirkt. Etwas, das furchtbare Qualen bereitet…«
»Kein Problem. Schließlich bin ich ein Meister meiner Kunst. Und jetzt sagt mir noch einmal, was ich alles für Euch tun soll. Wenn ich mich recht entsinne, ist es ziemlich kompliziert.«
»Sie ist jetzt eine große Erbin, ein Günstling der Königin – Gott allein weiß, warum –, und ein hochrangiger Offizier macht ihr den Hof. Wenn er sie erst geheiratet hat, komme ich an den Besitz, der mir zusteht, nicht mehr heran. Das Vitriol hätte dem vielleicht ein Ende bereitet, aber nun – nein, es ist besser, wenn sie stirbt. Außerdem gibt es… andere, die ein gewisses Interesse haben…«
»Ach, eine andere Erbin für die Ländereien?«
»Ja. Schöner… und wild auf die Ehe.«
»Ehe? Habt Ihr nicht gesagt, daß als nächster ein Bruder an der Reihe ist?«
»Das ist so oder so einerlei. Er ist beim Militär. Da kann viel passieren«, sagte Villasse achselzuckend.
»Aha, so langsam sehe ich klar«, rief Lorenzo Ruggieri und schlug sich an die Stirn. »Zuerst die Frau, etwas Schmerzhaftes, dann der Mann, etwas Stilles. Habe ich recht?« – »Vollkommen. Ihr könnt Gedanken lesen, Italiener.«
»Einen listigen Kerl wie Euch, der so weit im voraus denkt, muß man einfach bewundern. Das ist höhere Intelligenz. Die besitzen außer uns nur wenige. Aber fahrt fort – möchtet Ihr auch einen Liebestrank haben?«
»Ha, den brauche ich nicht. Menschen, die ein und dieselbe Person hassen, müssen sich lieben. Die Frau hat ihrer jüngeren Schwester den Verehrer ausgespannt, und als die Schwester gehört hat, daß die beiden heiraten wollen, haben wir uns in Rache vereint. Ha, das mit dem Vitriol ist ihr eingefallen…«
»Ist mir gleich wie die Idee einer Frau vorgekommen«, murmelte der Zauberer in seinen Bart.
Doch Villasse hörte nicht zu, sondern fuhr fort: »Sie braucht eine hohe Stellung… eine stolze Familie, aber arm. Und ich werde mit jedem Augenblick reicher. Und sie ist schön, fügsam, weiblich – völlig anders als die Mörderin, ihre irre ältere Schwester…«
»Laßt Euch warnen, Monsieur, der Drang zum Töten ist erblich – Ihr solltet auf der Hut sein. Also, ein anständiger Liebestrank…«
»Ihr würdet alles tun, damit Euer Honorar höher ausfällt, was? Zuerst die Ausgabe für das Vitriol, und jetzt wollt Ihr mir drei Sachen statt zweier andrehen.«
»Weil ich mitdenke und nur zum Wohle meines Kunden handle. Ihr habt gesagt, Ihr braucht als erstes etwas, das Qualen bereitet?«
»Ja. Langsames Sterben unter schrecklichen Qualen.
Weitere Kostenlose Bücher