Die geheime Mission des Nostradamus
Maestro Francesco Altoni nur einigen wenigen weitergegeben, denn wird sie nicht richtig ausgeführt, kann sie den Tod zur Folge haben.
Aus Geheimnisse der italienischen Fechtkunst
Montvert N. Sieur de Beauvoir et
Chasteauneuf-sur-Charetonne, Lyon, 1571
In der Rue de Bailleul stieg der Lärm dröhnender Trommeln und das Knirschen von Stiefeln bis zu den oberen Fenstern hoch. Eine Kompanie städtischer Pikeniere marschierte mit fliegenden Fahnen, begleitet von Offizieren hoch zu Roß, zur Stadt hinaus, um zu den Truppen an der Nordfront zu stoßen. Frauen jubelten ihnen zu und warfen Blumen aus den oberen Stockwerken der Häuser, die die Straße säumten, und Straßenjungen liefen neben und hinter den kunterbunt gekleideten Soldaten her und jauchzten und winkten. Nur ein Fenster, ein Fenster im Geviert eines Turms mit spitzem Dach blieb geschlossen. Hinter den blasigen, grünlichen kleinen Scheiben betrachtete ein untersetzter Mann mit gerade geschnittenem Bart, seidenem Gewand und schwerer Goldkette sinnend den blinkenden Stahl, der sich wie ein Fluß durch die schmale Straße ergoß. Meine Stiefel, meine Piken, meine Pferde und mein Vorschuß auf den Sold, dachte Bankier Montvert. Ob der König wohl Zinsen zahlt? Falls wir verlieren, ist das Geld natürlich auch weg. Da ist es praktischer, beide Seiten zu finanzieren, dann kann man wenigstens bei einem König abkassieren. Er seufzte. Könige waren in solchen Angelegenheiten immer so heikel, dachten, jeder könne nur eine Seite wählen. Aber schließlich mußte man sich auch für einen Wohnort entscheiden. Er seufzte erneut. Könige nehmen dein Geld, dachte er, und ihre Diener suchen Streit mit deinem törichten Sohn, der sich von Pomp und lügenhafter Ritterlichkeit blenden läßt. Wer, wer ist auf meiner Seite?
Doch jetzt kam seine bleiche Tochter Clarette mit dem Antlitz einer Heiligen wie ein zartes Herbstblatt an seine Seite geschwebt, fuhr mit ihrer kühlen Hand über seine Stirn und sagte: »Padre mio, Ihr habt so drückende Sorgen, vertraut sie mir an, dann will ich für Euch beten.«
»Hämmert dein Bruder noch immer auf die Tür oben ein?«
»So laut wie eh und je, seit dem Tag, an dem Ihr ihn eingeschlossen habt. Er sagt, Ihr habt seinen guten Namen ruiniert, weil Ihr ihn davon abhalten wollt, sich mit d'Estouville auf dem Feld der Ehre zu treffen.«
»Was sonst noch?«
»Tausend andere Dinge, Vater, viele von ihnen unschicklich für weibliche Ohren.«
»Dann hast du also wieder einmal gelauscht«, murrte der alte Mann.
»O nein, Vater, aber ich kann nicht anders als mithören, weil ich vor seiner Tür auf Knien für die Errettung seiner Seele bete.«
»Ach so. Nun denn, meine Lilie, mein Kleinod, bete auch für die Errettung seines Leibes und dafür, daß er ein anständiges Gewerbe erlernt und sich vermählt. Andernfalls wirst du für Enkelkinder sorgen müssen.«
Die bleiche Jungfrau erschauerte und griff nach dem Kruzifix – eines aus ihrer großen Sammlung-, das auf ihrer Brust hing. »Vater, die Karmeliterinnen…«
»Ich habe dir wieder und wieder gesagt, Claretta mia, meine geliebte weiße Rose, daß ich dich nicht auf dem Altar Christi opfern kann. Sobald d'Estouville an die Front aufbricht, habe ich vor, deinen Bruder zu den Verwandten deiner Mutter in Genua zu verfrachten – notfalls in Ketten –, und dann schicke ich Botschaft nach Florenz und nehme mit der Familie Pazzi Verhandlungen wegen eines passenden Bräutigams für dich auf. Möchtest du lieber Giacomo haben, der zwei Jahre älter ist als du, oder Giuseppe, der sechs Monate jünger ist? Letzterer, so wird gesagt, soll der hübschere von beiden sein.« Mit dem Aufschrei eines verwundeten Rehkitzes entschwebte das bleiche Mädchen wie ein Geist, ohne daß man auch nur einen Schritt hörte.
»Die Närrin«, sagte ihr Vater, als er ihr nachblickte. »Je eher sie verheiratet wird, desto besser – ehe sie sich gänzlich verflüchtigt.«
Im oberen Stock nahm Clarette ihren gewohnten Platz vor der vernagelten Tür ihres vom Satan besessenen Bruders ein und betete erneut für seine Errettung. Die Dienerschaft und ihre Mutter schlichen auf Zehenspitzen umher und redeten in ehrfürchtigem Flüsterton, als sie merkten, daß sie sich wieder ihrer heiligen Mission widmete.
»Eine Heilige – eine Heilige…«, flüsterten sie.
»Oh, Madame, Eure Tochter ist eine gebenedeite Jungfrau«, flüsterte die alte Kinderfrau, die auch schon die ihrer Mutter gewesen war.
»Gott hat mir
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