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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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Elfenbein gehängt. In einer offenen Schachtel inmitten weiterer kleiner Schätze und Schnickschnacks erblickte Laurette ein Armband aus ziseliertem Gold mit Brillanten, nach dem es sie sehr verlangte. Sibilles oder Clarettes? Gleichviel. Rechtens gehörte es Laurette, denn sie war am hübschesten. Ich probiere das Armband nur einmal an, dachte sie, und dazu diesen Ring hier. Würde mir das Kreuz mit dem Rubin in der Mitte stehen? Ja, es sah wirklich elegant aus. Jammerschade, daß meine Ohren nicht durchstochen sind, dachte sie, als sie in einem Schächtelchen in einer Schublade die heißbegehrten Diamantohrringe erblickte.
    Oh, der wunderbare Seidenschal. Keine vorteilhafte Farbe für eine Brünette… Einer Blondine würde er viel besser stehen. Sie legte ihn sich um die Schultern, dann drapierte sie ihn anders, steckte ihn wie ein Fichu in den Halsausschnitt, wo er schimmerte und leuchtete. Solche Sachen habe ich auch, wenn ich erst mit Thibauld verheiratet bin, dachte sie. Ei, sieh doch nur im Spiegel – so hübsch könnte ich glatt bei Hofe empfangen werden. Wenn mich Thibauld in voller Schönheit erblickt, wird er schon merken, daß mir keine das Wasser reichen kann, falls er mir die richtigen Kleider schenkt. Ah! Was ist denn das für eine schöne, kleine rote Schachtel, ganz versteckt und tief unter den Strümpfen verborgen, so als ob es sich um ein Geheimnis handelt? Welch eine Brosche! Was für wertvolle Perlen, wie zierlich gefertigt, wie geschaffen für eine Frau – eine richtige Blume und wie geschaffen, um den Schal zu befestigen! Autsch! Hat die eine scharfe kleine Nadel! Ja, so ist es richtig. Wie schön ich jetzt aussehe. Madame de la Tourette. Weil ich nicht die Älteste bin, bin ich nicht einmal eine Demoiselle de la Roque. Bloß Laurette Artaud. Das Leben ist zu ungerecht. Vor allem wenn Menschen, die hübsche Sachen verdienen, sie nicht bekommen.
    Nachdem Laurette den Nadelstich an ihrem Finger geleckt hatte, fing sie an, nach einem sonderbar aussehenden Kasten zu suchen, und schon bald kam ihr der Gedanke, die Kleider im Schrank beiseite zu schieben. Da stand er auf dem Boden, in einer Ecke hinter Volants und Reifröcken, ein alter versilberter Kasten. Sie ging in die Knie und griff da nach, da vernahm sie ein ungemein merkwürdiges Geräusch, beinahe wie das Schnarchen eines Hundes, nur daß weit und breit kein Hund im Zimmer schlief. Als sie den Kasten her vorzog, fielen ihr das eigenartige Muster und die unverständlichen Worte auf. Dann öffnete sie ihn. Drinnen lag ein grausiges Andenken an eine Hinrichtung – ein vertrockneter alter Kopf mit schilfernder Haut. Hinter verdorrten Lippen bleckten lange braune Zähne, und seine Augen waren geschlossen. Etwas erschien ihr sonderbar: Das Schnarchen kam offensichtlich von dem häßlichen alten Ding im Kasten. Das ist komisch, dachte sie. Wie kann derlei schnarchen? Es hat doch nicht einmal eine Brust zum Atmen. Das muß der Wind draußen sein. Doch was den Kopf selbst anging, so hatte sie schon weit schlimmere menschliche Reste gesehen, die viergeteilt neben der Landstraße aufgestellt worden waren, und schließlich ist tot tot und ein Diamantring ein Diamantring.
    Sie steckte den Kasten in ein Kopfkissen und warf sich im Spiegel einen letzten Blick zu. Sie tat niemandem weh, wenn sie sich diese hübschen Sachen für ein Weilchen borgte, nur um für Thibauld schön zu sein und ihn daran zu erinnern, daß sie immer so gut aussehen könnte, wenn er sie mit kostbaren Dingen schmückte. In Windeseile stahl sie sich aus dem Tor und hastete durch den Obstgarten zu der bröckelnden Mauer neben dem Bach. Dort saß auch schon Villasse in einem alten ledernen Jagdrock und hohen Stiefeln, das Pferd an einen niedrigen Ast gebunden, und säuberte sich mit seinem schweren Messer die Fingernägel. Als er das Rascheln ihrer Schritte im trockenen Gras hörte, blickte er gespannt auf. Das macht der Schmuck, dachte sie. Ich sehe wie eine Hofdame aus. Er ist überrascht, daß ich so schön bin.
    »Habt Ihr meinen Kasten?« fragte er barsch und ohne Umschweife.
    »Ja, hier ist er. Und wo ist mein Ring?«
    »Zuerst den Kasten – ich muß sehen, was darin ist.« Hastig und außer sich riß er den Kopfkissenbezug auf, ergriff den Kasten, ohne auch nur einen Blick auf den sonderbaren Gott mit dem Hahnenkopf zu verschwenden, und öffnete das Schloß. Bei dem Anblick, der sich ihm bot, stockte selbst ihm der Atem. Das mumifizierte Ding bewegte sich – und Schrecken

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