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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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gekleidete Frau kennengelernt? Gewiß keine hübschere – aber möglicherweise eine kultiviertere. Dergleichen konnte Männern den Kopf verdrehen.
    »Ist Eure Schwester schon eingetroffen?« fragte Villasse.
    Eine Faust schnürte Laurette das Herz zusammen. Hatte er den neuen Reichtum, die neuen Beziehungen ihrer Schwester bemerkt und sich mit ihr ausgesöhnt? »Ja, und woher wißt Ihr das?«
    »Halb Paris ist auf der Flucht, und als ich ihr Haus verlassen vorgefunden habe, da dachte ich mir, sie könnte hier sein.«
    Das war es, das war es – er hatte beschlossen, ihrer Schwester erneut nachzustellen, er freite wieder um Sibille. Welches Recht hatte Sibille, ihrer jüngeren Schwester die einzige Aussicht auf Ehe und Stellung zu rauben? Oh, warum war ihr Gesicht nicht entstellt worden? Alles wäre soviel einfacher gewesen. »Sie ist mit einer ganzen Meute hier. Gestern sind sie angekommen wie Bettler von der Landstraße, mit einem verschrumpelten alten Abbé, der eine Magenverstimmung hat und nichts essen kann, Tante Pauline, unter deren Gewicht der Stuhl zerbrach, auf den sie sich setzte, und einer langweiligen alten Madame Montvert und ihrer hochnäsigen Tochter. Vater wollte sie wegschicken, hat sich aber zu sehr geschämt, einer Verwandten seine Gastfreundschaft abzuschlagen, also hat er sich gefügt. In ein, zwei Tagen sind sie wieder weg, sowie sie uns alle Haare vom Kopf gefressen haben.«
    »Ach, das ist wunderbar«, murmelte Villasse, und nun wurde Laurette wirklich bang ums Herz. »Tut Thibaulds liebes Püppchen ihm einen Gefallen?«
    Auf keinen Fall überbringe ich einen Brief, dachte Laurette, von Bosheit gepackt. »Eure Herzallerliebste ist Euch gern gefällig«, erwiderte sie.
    »Dann, meine Süße, gibt es einen Gegenstand, den Ihr Eurer Schwester wegnehmen und mir bringen sollt – einen Kasten. Er gehört mir, und ich will ihn zurückhaben. Es ist ein ungewöhnlicher Kasten, in dem sich etwas befindet, nun, etwas Häßliches – das merkt Ihr schon, wenn Ihr es seht.«
    »Aber was ist es?« fragte Laurette.
    »Nun ja, es ist – eine anatomische Probe. Ihr wißt doch, daß Eure Schwester immer Knochen zeichnet – es handelt sich um einen Kopf.«
    »Einen Kopf? Von einem Menschen?«
    »Nun ja, ja. Nur ein Kopf. Ein alter. Keine Bange, er ist säuberlich im Kasten verpackt. Aber ich muß ihn zurückhaben. Und wenn Ihr ihn mir bringt, hat Euer lieber Thibauld auch eine hübsche Überraschung für Euch – einen Diamantring, der größer ist als alle Ringe an den Fingern der Königin.« Als er sah, wie ihre Augen blitzten, lächelte er dieses besondere Lächeln, das Menschen lächeln, wenn sie die Schwäche eines anderen völlig richtig eingeschätzt haben. Was ist ein Diamant gegen einen Zauberkopf? Nichts als Schnickschnack, dachte er. Sie ist mir zu Diensten, ich kann mit ihr tun, was ich will. »Laßt uns ins Haus gehen, ich möchte Eure Eltern begrüßen. Und was die andere Sache angeht, so treffen wir uns morgen gleich nach dem Mittagsmahl an der alten Mauer hinter dem Obstgarten.«
    »Und ihr bringt dann mein süßes, kleines Geschenk mit?« Ich habe ihn, dachte Laurette. Falls an diesem Kopf etwas geheim ist, muß er mich heiraten, weil ich ihm auf die Schliche gekommen bin. Wenn ich doch nur ein Seidenkleid hätte.
    »Das und noch viel, viel mehr, mein teures Schätzchen.« Zusammen gingen sie ins Haus, und nachdem Villasse ihren Vater begrüßt hatte, brach er wieder auf.
    »Was sollte das?« knurrte Hercule de la Roque, nachdem Villasse sich verabschiedet hatte. »Habe ich ihm letzten Monat etwa nicht die Zinsen für die neue Anleihe gezahlt? Und er kommt her, grinst wie ein Wolf und überbringt nachbarliche Grüße. Ich dachte, er ist in Paris.«
    »Zweifellos geht es um Sibille«, sagte seine Frau und nähte gelassen weiter an einem neuen Satz Kopfkissenbezüge.
    »Sie hätte besser zielen sollen«, sagte Sibilles Vater.

    Da sich die Mädchen ein Zimmer teilten, war es für Laurette ein Kinderspiel, einen günstigen Moment abzupassen, um nach dem geheimnisvollen Kasten zu suchen. Das Zimmer stand voller Kisten und Taschen, manche verschnürt, andere ausgepackt, dazwischen lagen die Kissen aus der Sänfte, in die man rätselhafte Gegenstände eingenäht hatte. Im Schrank hing ein Dutzend wunderschöner Seiden- und Samtkleider, Schachteln mit Schmuck und kostbare Parfümfläschchen zierten den Frisiertisch. Über eine Ecke des Spiegels darüber hatte Clarette einen schönen Rosenkranz aus

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