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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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vielleicht für diesen Kerl, diesen de la Roque. Ein Problem. Das muß ich erst noch austüfteln.«
    »Hör auf zu faseln und gib mir, worum ich dich gebeten habe«, rief Villasse, und er war so beschäftigt mit dem Kasten, daß er die stämmigen Feldarbeiter nicht bemerkte, die sich mit Stricken und Mistgabeln leise hinter ihm gesammelt hatten.
    »Nicht möglich«, beharrte der Kopf, und Villasse schrie auf, als sich sechs Männer auf ihn stürzten.
    »Fesselt ihn!«
    »Tötet ihn!«
    »Nein, tut ihm nichts. Warum sollten wir uns die Hände schmutzig machen? Fesselt ihn, und den Rest erledigt der Richter.«
    Die ganze Nacht über, während er in einer fensterlosen Kornscheuer eingesperrt war und auf die Ankunft des bailli wartete, versuchte Villasse wieder und wieder sich auszurechnen, welcher Tod schlimmer war; der, den das Gesetz vorschrieb, oder der, den ihm Gottes Gerechtigkeit zugedacht hatte. Und welcher würde zuerst eintreten?

Kapitel 20
    H underte von huschenden Lichtern funkelten im Dunkeln wie Augen. Lichter auf der Treppe, wo die Mägde die Blutflecken aufwischten, Lichter auf der Diele, auf Tischen und Kommoden, während Mutter und Tante Pauline Vaters Leichnam wuschen und auf einem Schragentisch mitten im Raum aufbahrten. Und ich, ich wanderte wie ein Geist durch die verdunkelten Zimmer, die Treppe hinauf und wieder hinunter, während mich unentwegt Augen zu beobachten schienen. Das war Vaters letztes Geschenk: Er ließ mich ohne Seele zurück. Ich konnte die kalte Leere in mir spüren, wo vorher warme Stimmen geredet, gestritten, Gedichte formuliert und über die Natur gestaunt hatten. Irgendwann in der Nacht hörte ich, wie Isabelle und Françoise den Abbé mit bebender Stimme fragten, ob Vaters Seele im Himmel sei, und ich hörte, wie Abbé Dufour tsss, tsss machte und sagte, daß sie gewißlich irgendwo sei, doch da müßten sie eine höhere geistliche Autorität fragen als ihn. Aber meine Seele, wo war meine?
    Am nächsten Morgen trafen der bailli und seine Helfer ein und holten Thibauld Villasse ab, der mit Häckseln übersät und aus irgendeinem Grund zu schwach zum Gehen war. Sie mußten ihn über ein Maultier werfen, und er brummelte und führte Selbstgespräche wie ein Irrer. Laurette hütete das Bett, vermutlich vor Schreck, doch Mutter und Tantchen hatten darauf bestanden, daß sie allein auf einer Pritsche in Mutters Zimmer lag, statt in dem großen Bett, das wir uns teilten. Sie versperrten die Tür vor Clarette und mir, und als ich Tantchen herauskommen sah, trug sie dicke Handschuhe und hatte etwas in der Hand, was ich nicht erkennen konnte, und Mutter hielt eine Schere.
    »Hoffentlich ist es nicht ansteckend«, sagte Madame Montvert bange.
    »Nein«, seufzte Mutter, »es ist nicht ansteckend. Betet für meine Tochter, Madame, nur ein Mutterherz kann verstehen, was ich durchleide.«
    »Ihr seid sehr tapfer«, versuchte Madame Montvert zu trösten. »Wenn sie genesen und dieser furchtbare Krieg vorbei ist, müßt Ihr beide zu einem Besuch in mein Haus kommen, ich möchte Euch in dieser Zeit der Anfechtung und des Verlustes irgendwie beistehen.«
    Doch als ich am nächsten Tag an den Mägden vorbeiging, die jetzt die Blutflecken vom Treppengeländer schrubbten, da platzte der eiserne Reifen, der Körper und Seele gefangengehalten hatte, Schreck und Angst packten mich, und ich zitterte und weinte wegen meines Verlustes, aber auch aus Angst, daß mich Gott auf der Stelle für mein schreckliches Verbrechen niederstrecken würde. Ich hatte den abscheulichen Menander in mein Vaterhaus gebracht und den Tod meines Vaters bewirkt.
    »Ich habe ihn umgebracht, es ist alles meine Schuld, ich bin der böseste Mensch auf der ganzen Welt, und ich habe nicht einmal eine Seele«, schluchzte ich und brach tränenüberströmt am Fuß der schicksalsbeladenen Treppe zusammen. Hinter mir hörte ich bedächtige Schritte und das Tapptapp eines Spazierstocks.
    »Mein Schatz«, sagte Tantchen, zog mich hoch und legte den Arm um mich. »Es wird Zeit, daß ich dir etwas erzähle: Du bist keine Vatermörderin, nicht im entferntesten. Und was deine Seele anbelangt…«
    Und so erfuhr ich die ganze entsetzliche Wahrheit. Noch nie hat ein einziges armes Herz so viele Schrecken in nur einer Woche aushalten müssen, und mir wollte scheinen, daß meine geistige Gesundheit auf ewig zerstört wäre.
    »Ich habe immer gespürt, daß ich nicht hierherpasse«, sagte ich schließlich.
    »Leider, mein Schatz. Aber deine Mutter

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