Die geheime Mission des Nostradamus
ich war schuld…«
»Wenn es wirklich so war, Pauline, dann war es das einzig Ehrliche, was du jemals begangen hast.«
»Mein ganzes Leben habe ich es bereut und alles gegeben, um wiedergutzumachen, was nicht mehr gutzumachen war. Ja, ich habe dafür gesorgt, daß die Geburtsdaten gefälscht wurden, als du im Krieg warst. Ich hätte sie adoptiert, aber du wolltest es nicht…«
»Sie verdiente es nicht…«
»Aber jetzt ist sie mein, und ich werde alles dafür geben, um sie glücklich zu machen.«
»Pauline, du Hexe…«
»Nur um eine Erbin zu heiraten, warst du zu allem fähig, nicht wahr – sogar zu einem Mord. Du und Helenes Vater habt ihn entkleidet und in den Fluß geworfen in jener Nacht. Leugne es nicht, ich weiß alles. Aber du wußtest nicht, daß du nur Reste bekommen würdest.«
»Dieser verdammte alte Mann… Er hat mich belogen. Wie ihr alle.«
»Die Diener haben nämlich seine Kleidung verkauft. Ich fand seine Gürtelschließe, sein Tagebuch und das Amulett, das er am Hals trug. Mein Gott, die Tränen, die auf das Buch getropft sind! Selbstsucht ist das schlimmste aller Verbrechen…«
»Und du bist die schlimmste aller Verbrecherinnen. Dein Betrug hat mich um die Chance meines Lebens gebracht.«
»Du hattest deine Chancen und hast sie verspielt. Und ich habe lediglich geflickt, was noch zu flicken war. Was dir das eingetragen hat – ha! Einen Scherz – einen Scherz des Schicksals…«
»Du hast mir ein Kuckucksei ins Nest gelegt – dafür könnte ich dich umbringen.«
»Wohl kaum, Hercule. Wenn ich hier sterbe, weiß es alle Welt, und mein Vetter, der Abbé, hat wirklich gute Beziehungen. Ganz zu schweigen von dem guten Priester, der mir Absolution erteilt hat. Er ist hoch gestiegen, Hercule. Ich glaube nicht, daß du wissen möchtest, wie hoch. Hast du gedacht, ich würde deine Gastfreundschaft jemals ohne Zeugen annehmen?« Als sie sich abwandte und aus dem Zimmer marschierte, ergriff ihr Bruder wutentbrannt den Kasten mit dem Zauberkopf und schüttelte ihn noch einmal tüchtig.
»Geh weg, ich habe zu tun«, murrte dieser.
»Zum Teufel mit dir«, schrie Hercule de la Roque. »Bist du zu dumm, um dir zu merken, daß der Wunsch für mich war – für mich – Hercule de la Roque.«
»Das hat das Mädchen nicht gesagt. Wenn du nicht zufrieden bist, dann mach es mit ihr aus«, entgegnete der Kopf mit leiser, hinterhältiger Stimme.
»Sibille«, Hercule de la Roque wurde zunehmend wütend. »Ja, Sibille… gut, ich werde es mit ihr ausmachen.« Mit Zornesfalten auf der Stirn, an den Schläfen schwellenden Adern und hochrotem Gesicht stürmte er aus dem Zimmer und auf die Treppe zu. Die Schatulle unter seinem Arm stieß ein höllisches Gelächter aus. Doch auf halbem Weg die Treppe hinunter blieb er stehen, denn unten wartete jemand auf ihn – mit gezogenem Schwert. Am Fuß der Treppe stand Thibauld Villasse – sein Gesicht hager und verzerrt, seine Kleidung fleckig von Schweiß und Staub des stürmischen Ritts.
»Hercule, gebt mir den Kasten«, sagte Villasse. Ein verzweifelter Ton schwang in seiner Stimme. Machte sich das Gift bereits bemerkbar? Schon glaubte er einen pochenden Schmerz zu verspüren… Oder war es ein brennender? Hatte der Quacksalber davon gesprochen, daß es brennen würde? Oder hatte er etwas von den Augen gesagt? Er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. »Gebt ihn mir, beeilt euch!« wiederholte Villasse schrill.
»Niemals! Er gehört mir«, erwiderte Sieur de la Roque wutschnaubend. »Ich muß erst noch etwas mit Sibille klären. Geht mir aus dem Weg, Ihr Hornochse.«
»Bettler! Wie könnt Ihr es wagen…«
Mit einem Satz war er bei Sieur de la Roque und stach den alten Mann nieder, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Während der Kasten vor der Leiche geräuschvoll die Treppe hinunterkollerte, packte Villasse die blutige Trophäe und rannte zur Tür.
»Bei Agaba, Orthnet, Baal, Agares, Marbas beschwöre ich dich. Almoazin, Membrots, Sulphae, Salamandrae öffnet das dunkle Tor und hört mich an. Gib mir, was ich mir wünsche. Entferne das Gift aus meinem Blut.«
»Stört mich nicht, ich muß nachdenken.«
»Erfülle meinen Wunsch, du verfluchtes Ding«, schrie Villasse und schüttelte den Kasten.
»Ich habe Euch doch gesagt, daß Ihr mich nicht stören sollt. Ich denke nach. Wenn ich damit fertig bin, kümmere ich mich um Euren Wunsch. Aber im Augenblick ist noch jemand vor Euch dran. Ein Vermögen und ein Schloß für Sibilles Vater. Oder
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