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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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sagte der Junge.
    »Richtet ihm aus, er soll sich bereitmachen. Das ist ein Befehl.« Der König wandte sich dem zweiten Pagen zu und wölbte die dunklen Brauen. Sein langes Gesicht wirkte abfällig. »Was hat meine Gemahlin, die Königin, diesmal zu sagen?«
    »Majestät, die Königin fleht Euch an, ihr zuliebe nicht noch einmal auf Montgomery zu treffen.«
    Der König, von Kopf bis Fuß in den Farben seiner Mätresse, blickte zu ihm hinunter und sagte, ohne sich der Ironie bewußt zu sein: »Richte ihr aus, daß ich gerade ihr zuliebe noch einmal auf ihn treffe«, und er ließ die vergoldeten Stäbe seines Visiers herunter. Sein Knappe, den die sonderbare Aufforderung erschreckt hatte, überprüfte die Verschlüsse seiner Rüstung und befestigte das Visier. Alles schien in Ordnung zu sein. Auf Befehl des Königs erklangen die Trompeten, und der König ritt erholt wieder in die Schranken.
    Er kam an einem kleinen Jungen vorbei, der aus der Menge herausgelaufen war. »Sire, turniert nicht«, rief er hinter ihm her, doch der König hörte es nicht.
    Unter Hufgedonner preschten die beiden gerüsteten Pferde mit ihren bewaffneten Reitern in vollem Galopp die Schranken entlang. Die Lanze des Königs verfehlte ihr Ziel, und Montgomerys Lanze traf im falschen Winkel auf den Schild des Königs. Sie splitterte, rutschte nach oben, und Montgomery, der einen Augenblick bestürzt und betäubt war, gelang es nicht, den Stumpf schnell genug fortzuschleudern. Zu spät. Der gesplitterte Lanzenstumpf traf das sich öffnende Visier des Königs.
    Die Menge sah, wie der König im Sattel schwankte und dann langsam zu Boden glitt. Ein einstimmiger Aufschrei, dann Rufe: »Der König ist gefallen!« Ehe die Diener des Königs ihn umringten, um ihn von seiner Rüstung zu befreien, sah Katharina von der Tribüne aus die Vision ihres Alptraums: Das Gesicht des Königs beschmiert mit dem Blut, das aus seinem rechten Auge floß und floß.

    Oben am Fenster in einem gemieteten Raum in der Rue St. Antoine bedeckte eine große junge Dame mit der Hand den Mund und bekam vor Schreck keine Luft mehr. Eine andere junge Dame drehte sich jäh um, verdrehte die Augen und sank ihrer Mutter ohnmächtig in die Arme. Tante Pauline und Monsieur Montvert, der Bankier, blickten sich vielsagend an.
    »Das ändert alles«, sagte Tantchen.
    »Ich schicke sofort nach Nicolas. Der neue Herrscher dürfte schwerlich an der Verfolgung von Badehausduellanten interessiert sein.«
    »Aber falls jemand argwöhnt, daß Menander daran schuld ist, schwebt Sibille in großer Gefahr.«
    »Genau. Aber dabei handelt es sich nicht um irgend jemanden – sondern um die Königin.«
    »Solange der König lebt, ruht alle Hoffnung auf ihm.«
    »Und falls er stirbt, hält man die erforderliche Trauerzeit von vierzig Tagen ein. Beides gibt uns Zeit. Sie können heimlich heiraten und außer Landes gehen. Hoffentlich hegt Sibille nicht den gleichen Widerwillen gegen Sonnenschein wie Ihr, Madame.«
    »Um diese Jahreszeit soll Italien sehr gesund sein«, sagte Tantchen. Die anderen, die sich mit ihnen im Raum befanden, waren von dem Geschehen so verstört, daß sie kein Wort mitbekamen.

    Der Alte Konnetabel und der große Guise – durch den Frieden wieder versöhnt – trugen den König eigenhändig in den Palast von Les Tournelles. »Ich will selbst gehen«, flüsterte dieser am Fuße der Freitreppe, doch dabei mußten ihn mehrere hohe Herren des Hofes stützen. Ihnen folgte eine Gruppe von Höflingen, die den schwächlichen Erben trugen, der in Ohnmacht gefallen war. Ein schlimmes Vorzeichen, sagten die, die den gespenstischen Einzug in den Palast mit angesehen hatten. An diesem Abend wurde Les Tournelles abgeriegelt, und Montgomery, der junge Löwe, packte in aller Eile seine Sachen und floh außer Landes.
    Der König lag in dem großen Himmelbett und verlor – nach kurzen Wachzuständen – immer wieder das Bewußtsein. Nacht und Tag verschwammen ihm mit Wundbehandlungen, tuschelnden Würdenträgern auf den Fluren, mit Papieren, die ihm für eine schwache Unterschrift vorgelegt wurden. »Vielleicht erholt er sich, die Chirurgen meinen, daß die Wunde nicht tödlich ist«, sagte die Königin zu Madame d'Alamanni, als sie sein Krankenlager verließ, um ein, zwei Stunden zu schlafen. Doch ihre angst- und schuldgeweiteten Froschaugen erzählten eine andere Geschichte.
    »Ich habe den Helfer von Maistre Paré mit eigenen Ohren sagen hören, daß die Lanze nicht ins Hirn eingedrungen ist,

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