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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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er wird lediglich ein Auge verlieren«, antwortete ihre Gesellschafterin.
    »Und er fiebert nicht«, ergänzte die Königin. »Wenn er kein Fieber bekommt, wird er gewiß genesen.« Sie hatte die Brüder Guise bereits gesehen, wie sie groß und überheblich in den Gemächern ein und aus gingen, wo sich ihr kränklicher Sohn von seiner rothaarigen und ehrgeizigen kleinen Gemahlin trösten ließ. Die Königin bedurfte keiner prophetischen Träume, um das Muster der Zukunft zu sehen, falls sich ihr Gemahl nicht wieder vom Krankenlager erheben sollte. Wenn sie während der Wundbehandlungen händeringend durch die Flure schritt, gefror ihr das Herz bei ihren Hirngespinsten und Trugbildern. Am dritten Tag riß sie sich zusammen, als der große Vesalius, Diener des Königs von Spanien und der beste Anatom der bekannten Welt, eintraf und der König Musikanten rufen ließ und nach seiner Genesung eine Pilgerfahrt zu unternehmen versprach. Ihr fiel ein, daß sie nichts gegessen hatte, und sie nahm ein wenig Wein und gekochtes Geflügel zu sich, dann schlief sie in der Nacht im Sitzen auf einem Stuhl neben dem Bett des Königs, beruhigt durch sein regelmäßiges Atmen.
    Doch am vierten Tag stieg das Fieber, und keine Behandlung vermochte es zu senken.

    Vor den verschlossenen Toren von Les Tournelles wies man Diana von Poitiers ab wie eine Bettlerin.
    »Befehl der Königin«, sagte der Wachposten, als die Herzogin mit rotgeränderten Augen und bleichem, angespanntem Gesicht in ihre reichverzierte, vergoldete Sänfte floh. Diener zogen die Vorhänge zu, und der Posten, der die beiden schwarzweiß geschmückten Pferdchen ihre schwankende Last forttragen sah, dachte: Was hat der König bloß an der gefunden? Die ist ja älter als meine Großmutter und runzlig wie eine Trockenpflaume.
    Im Empfangssaal ihres luxuriösen Herrenhauses in Paris schritt die Herzogin von Valentinois auf dem dicken türkischen Teppich auf und ab und merkte nicht, wie die Zeit verging. Jeder, der in die Nähe von Les Tournelles gekommen war – Niemande, Pagen, Klatschbasen, denen man in den vergangenen Jahren nicht erlaubt hatte, auch nur einen Fuß auf das Anwesen zu setzen –, wurde willkommen geheißen und hineingebeten.
    »Lebt der König noch? Wird der König genesen?« wiederholte sie wieder und wieder mit angespannter, gequälter Miene.
    Am vierten Abend erwachte sie mit einem Schrei aus ihrem Opiumschlummer und befahl der Zofe, die ihr zur Seite eilte, auf der Stelle zu den städtischen Bogenschützen zu gehen und den Wahrsager Simeoni festnehmen zu lassen; doch die Zofe faßte das als Halluzination auf und verabreichte der Herzogin noch eine Dosis ihres Schlafmittels.
    Als die Herzogin am Morgen ihr levée abhielt, fehlten zahlreiche bekannte Gesichter aus dem Hochadel. Auf ihrem Hof waren keine Bittsteller, zu ihrer freien Tafel am Mittag kamen keine Gäste. Empört schickte sie mittels Kurier eine Botschaft an das Familienoberhaupt, das ihr viele Gefallen verdankte, doch die Guise sandten lediglich eine kalte, kurze Nachricht, durch die man sie wissen ließ, ihre Familie sei gewohnt, mit legitimen Herrschern zu verkehren, nicht jedoch mit ehemaligen Mätressen.
    »Aber er lebt, er lebt noch«, schrie sie. »Bei Gott, so lasse ich mich nicht behandeln, solange er noch Atem in sich hat.« Doch mit jeder verrinnenden Stunde schien die verlassene Herzogin älter und älter zu werden. Fältchen vertieften sich, und ihr weißes Gesicht färbte sich grau. Es war, als hätte der König beim Verlassen der Erde auch den Zauber mitgenommen, der das Altern aufgehalten hatte. Sie griff nach einem Handspiegel vom Frisiertisch, und da starrte sie über ihrem juwelenbesetzten Mieder und der untadeligen Halskrause ein altes Gesicht an. Ein Gesicht – wie… oh, lieber Gott, wie die scheußliche Mumie im Kasten. Nein, es war ja das gräßliche, vulgäre Ding. Und während sie entsetzt die Augen aufriß, zwinkerte ihr das Ding im Spiegel mit einem ledernen Lid zu. Mit einem Aufschrei schleuderte die Herzogin den Spiegel fort, und er splitterte auf dem Fußboden, daß die Scherben durchs Zimmer flogen. Doch niemand hörte den Krach und eilte zu Hilfe.
    Als die nachmittäglichen Schatten länger wurden und sie allein in ihrem Schlafgemach saß, wo auf einem Tablett neben ihrem Bett eine unberührte Mahlzeit stand, wurde schüchtern an die Tür geklopft. Ein Page, den der Wachposten am Tor hochgeschickt hatte, brachte ihr eine Botschaft, die mit dem königlichen

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