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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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Haus an den Ketzer vermietet hatte.
    »Ich will meine kranke Tante, Madame Tournet, besuchen, die unweit des Domplatzes wohnt«, erklärte ich. Die Wachen durchsuchten den Soldaten, und ich war schon im Begriff, ihm sein Bündel zu geben, doch da fiel mir Villasse und sein Salzmonopol ein, und ich beschloß, ihn darin keineswegs zu unterstützen, auch wenn es ihm jetzt nichts mehr nützte. Warum Beweismaterial aushändigen, flüsterte mein vernünftiges Selbst. Damit wirst du nur hineingezogen und aufgehalten. Sehr gut, sagte mein edleres Selbst, dieses eine Mal bin ich derselben Meinung. Schließlich sollte Salz frei erhältlich sein, da es Gott für alle Menschen in großer Fülle erschaffen hat. Dieser abscheuliche Villasse hätte auch noch versucht, sich Luft bezahlen zu lassen, wenn das möglich gewesen wäre. Da kam mir der Gedanke, daß es seine Schuld war, wenn er ermordet wurde, weil Gott ihm dieses Ende wegen seiner Habgier zugedacht hatte. Ich war lediglich ein göttliches Instrument und hatte mir deshalb so gut wie nichts vorzuwerfen.
    Mitten in diesen Überlegungen überkam mich die Angst, daß gewisse weltliche Behörden, die sich derzeit der Verbrennung des Handschuhhändlers widmeten, meine Rolle als göttliches Instrument durchaus falsch verstehen konnten. Der Mann warf mir einen erschrockenen Blick zu, als wollte er sagen, gib es ihnen nicht. Da wurde mir klar, daß eine Befragung wegen gesetzwidrigen Besitzes auch zur Aufdeckung des unseligen Unfalls von Monsieur Villasse führen konnte. Mein vernünftiges Selbst reagierte sofort. »Meine Tante hat gesagt, ich dürfe mich nicht verspäten. Ich habe einen Brief meiner Mutter an sie«, sagte ich mit hoher Stimme. Ich sah, wie sie die Anschrift mit zusammengekniffenen Augen musterten, und wußte, daß sie nicht lesen konnten.
    »Das reicht, Ihr könnt passieren«, sagte der Wachtposten. »Aber Euer Diener kommt vor den bailli.« Der ist bald wieder draußen, dachte ich, schließlich haben sie keine Beweise, und dann sind wir beide im besten Sinne vogelfrei.
    Als mein Junge und ich das Tor passierten, wollte uns ein merkwürdiger, dunkelhaariger Mann mit Ohrring nacheilen.
    »Kerl, du nicht«, hörte ich die Wachtposten hinter mir sagen. »Du siehst wie ein Fremder aus. Falls du keine Geschäfte innerhalb der Mauern nachweisen kannst, darfst du nicht hinein. Diese Stadt ist kein Ort für Fremde und herrenloses Gesindel.« Vollkommen richtig, dachte ich. Man kann gar nicht genug aufpassen, sonst läßt man noch jeden Gauner in die Stadt.

    In der gesamten Erbauungsliteratur ist nachzulesen, daß es das Schicksal von Verbrechern ist, immer hoffnungsloser auf die schiefe Bahn zu geraten, bis das Jüngste Gericht sie in eine Feuergrube wirft. Und als ich mich dann vom Pferd beugte, um den Bronzeklopfer an Tante Paulines Hoftor zu betätigen, schoß es mir durch den Kopf, daß ich vielleicht schon tiefer gesunken war, als ich angenommen hatte. Das Tor sah unauffällig aus und anders, als ich es in Erinnerung hatte: ungestrichen, die Torangeln verrostet. Die Mauern zu beiden Seiten bröckelten und waren von Ranken überwuchert. Das hier war eindeutig mein erster Schritt auf der schiefen Bahn. Aber vielleicht verdammte mich das Schicksal ja nicht wegen des erforderlich gewesenen Abfeuerns der Arkebuse, sondern wegen der geheimen, freudigen Aufwallung, als ich merkte, wen ich da erschossen hatte. Ja, so war es. Es mußte mir lediglich leid tun, dann war ich nicht mehr schuldig, und der Arm der göttlichen Gerechtigkeit würde innehalten.
    Ich klopfte erneut, dieses Mal lauter. Noch immer keine Antwort. Angenommen, Tante Pauline war gestorben, und niemand hatte uns benachrichtigt? Ein vernachlässigter Pflaumenbaum von einem verborgenen Garten hatte verfaulte Früchte über die Mauer geworfen, und der süßliche Geruch vermischte sich mit dem ekelerregenden Gestank der Straße. Als Monsieur Tournet noch lebte, hatte ihn sein Reichtum in allen zweifelhaften Kreisen beliebt gemacht, obwohl man uns nie erlaubt hatte, sein Haus zu betreten.
    »Schmutziges Geld«, pflegte mein Vater zu sagen. »Sie hat unsere Familienehre für Bares an einen Niemand verkauft.« Zuweilen hörte ich die älteren Frauen zu Mutter sagen: »Natürlich können wir sie nicht empfangen, das mußt du verstehen. Der Mann, den sie geheiratet hat, ist vollkommen unmöglich. Was war nur in die Eltern deines Mannes gefahren, daß sie solch eine Mißheirat erlaubt haben?« Meistens schwieg Mutter,

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