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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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doch manchmal erklärte sie auch: »Madame Tournet bleibt eine Verwandte, wen auch immer sie geheiratet hat und damit Schluß.« Einmal, in einem schwachen Augenblick, sagte sie zu mir: »Und wie hätten deine Großeltern wohl ihr Anwesen ohne Jean Tournets Darlehen halten können? Die Flotten für den König zu finanzieren und auszurüsten, dazu war er gut genug, aber nicht gut genug für sie. Und sie halten es für unter ihrer Würde, ihm das Geld jemals zurückzuzahlen.« Solche Worte gaben mir eine leise Ahnung einer verborgenen Seite an ihr, ich sah eine Fremde, bei der Gerechtigkeit vor Rang kam. Welch andere geheime Gedanken, die sich so sehr von Vaters unterschieden, mochte sie noch hegen? Doch das verborgene Fenster zu ihren Gedanken schloß sich so jäh, wie es sich geöffnet hatte, und sie rauschte würdevoll und mit ausdrucksloser Miene davon, ein Abbild guter Erziehung und Korrektheit. Und dann war Monsieur Tournet dahingegangen – und mit ihm seine Darlehen und unser Wohlstand.
    Ich hämmerte erneut auf das Tor ein, dieses Mal noch lauter. Und da tauchte hinter dem Gitter im Tor ein Gesicht auf, nahm meinen Namen entgegen und verschwand. Nach weiterer endloser Warterei öffnete sich das Tor unter furchtbarem Gequietsche. Während ich noch das nicht getünchte, zugerankte, fast verlassen aussehende Herrenhaus innerhalb der Hofmauer anstarrte, führte ein grämlicher Diener meinen Lakai und mein Pferd wortlos fort. Das Gesicht hinter dem Gitter gehörte zu einem alten Kammerdiener mit Holzbein, der mich stumm von Kopf bis Fuß musterte und mich dann über den kopfsteingepflasterten Innenhof zur Haustür begleitete, die nach innen aufging und in das dämmrige Innere des Empfangszimmers führte.
    »Herein, herein«, erklang eine Frauenstimme aus der Tiefe des dunklen, eleganten Raumes. Auf einem mit seltenen Hölzern eingelegten Tisch standen ein paar Kerzen, und er glänzte und schimmerte in ihrem matten Schein. Dunkle, schwere geschnitzte Möbel, Stühle, Bänke und Truhen schienen an Wänden und in Winkeln zu lauern. Hier und da verfing sich das Kerzenlicht auf Satinkissen und seidenen Gobelins. Man hatte mich durch eine Flucht ähnlicher Zimmer geführt, alle leer, dunkel und nach Mäusen und Verfall riechend, ehe wir in diesem anlangten. »Ach, du hast einen Hund mitgebracht. Das wird Señor Alonzo aber gar nicht gefallen.«
    »Tut mir leid, Madame Tournet. Er ist von daheim durchgebrannt und mir nachgelaufen, er will einfach nicht von mir weichen.«
    »Madame Tournet? Sibille, meine Patentochter, nenne mich Tantchen oder ma tante. Schließlich bin ich deine Tante. Komm näher, komm näher. Ich habe dich nicht mehr zu Gesicht bekommen, seit du sechs warst, und ich möchte doch wissen, wie du dich herausgemacht hast.« Tantchen saß am Tisch und hatte ein Spiel Karten vor sich ausgebreitet. Bildkarten, Trumpfkarten, Farben, da wurde ein vollständiges Tarockspiel gespielt. Sie legte eine Münzen-Sechs aus und tat den Rest des Spiels beiseite.
    »Ich bringe dir einen Brief meiner Mutter«, sagte ich und reichte ihn ihr. Tantchen hatte Vaters Nase, der Rest war sie selbst. Sie war mit den Jahren mollig geworden und benötigte einen ziemlich breiten Stuhl. Ihr Haar glänzte so eigenartig schwarz, wie es nur das Färben bewirkt. Ihre Augen blickten klug, ein bernsteinfarbenes Braun, und waren umkränzt von Krähenfüßen – Zeugen eines geheimen, schrecklichen Wissens. Ihr Mund war geschminkt, und auf ihren Wangen prangten Kreise aus Rouge. Sie hatte einen Anflug von Damenbart, doch ihre Haut war weich und weiß und für ihr Alter sonderbar faltenlos. Meine Erinnerung hatte nicht getrogen, Gesicht, Haltung und die Art, wie sie die Hände bewegte, ließen noch immer erkennen, daß sie einst eine große Schönheit gewesen war. Ein Stock mit einem seltsamen Silberknauf in Form eines Affen lehnte an ihrem Stuhl. Gargantua, der in dem fremden Zimmer herumschnüffelte, stieß ihn um. Als sie zu dem Brief griff, hob ich ihn wieder auf.
    »Ach, danke, mein Schatz. Meine Gicht, na, du weißt schon. Zuweilen fällt mir das Gehen schwer. Die Siegel auf diesem Brief sind erbrochen. Sibille, du unersättlich neugierige Patentochter, hast du ihn gelesen?«
    »Tantchen, den hat die ganze Welt gelesen. Man wollte mich so kurz vor Sonnenuntergang nicht in die Stadt lassen, also mußte ich Mutters Brief vorzeigen.«
    »Wie unangenehm für dich, daß man dich für eine übelbeleumdete Person gehalten hat. Man muß sehr grob

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