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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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eines Hexenmeisters und sah von hinten, wie eine Frau in schwarzer Witwentracht eintrat und vor einem Tisch mit schwarzen Kerzen niederkniete, der als Altar diente. Vor ihr stand eine Schatulle, doch als sie diese öffnete, erlosch das Kerzenlicht, als hätte es ein fürchterlicher Wirbelwind erfaßt. Aber ehe es dunkel im Zimmer wurde, bei Gott, da erblickte ich etwas, was ich nie im Leben wiedersehen wollte. Ich erwachte von einem gräßlichen Lachen, bei dem mir die Ohren klangen, von einer Stimme, die sagte: »Michel de Nostredame, endlich bin ich nach Frankreich gekommen, um dich auf die Probe zu stellen. Gebiete mir dieses Mal Einhalt, wenn du kannst.« Griff nach einem Becher mit einem erfrischenden Getränk, der neben meinem Bett stand, und sprach verschiedene Gebete. Ich hoffe darauf, daß dieser Traum nicht prophetisch war. Denn ich könnte beschwören, den Kopf Menanders des Unsterblichen gesehen zu haben – Zerstörer von Königreichen, Seelenräuber, Pforte zur Hölle –, so wie ich ihn zum ersten Mal in der Schatzkammer des mächtigen Sultans Suleiman des Prächtigen erblickte. O Gott, um meiner Sünden willen verfolgt mich das Andenken an dieses abartige Ding und bewirkt Furcht und ängstliches Verlangen.
    Das geheime Tagebuch des Nostradamus

    Unweit des Pont St. Michel kochte Nostradamus noch immer vor Zorn über den unseligen Zwischenfall mit seiner Robe, die Ignoranten in der Rue St. Jacques mit Dreck beworfen hatten, und als er jetzt aufblickte, sah er einen Gasthof, dessen oberer Stock aus Fachwerk bestand und dessen Wirtshausschild den heiligen Michael zeigte, seinen Namensvetter. Der Erzengel im hellroten Gewand hatte etwas Glückverheißendes an sich, wie er da mit ausgebreiteten Flügeln und Flammenschwert triumphierend einen Haufen Dämonen bekämpfte, die den Scharlatanen der medizinischen Fakultät von Paris glichen. »Ein ausgezeichnetes Schild, Léon; hier bleiben wir, das bringt uns Glück«, sprach Michel de Nostredame, und kaum führte man ihre Pferde über den Hof des Gasthofes fort, da sorgte Léon bereits dafür, daß ein Bote nach St. Germain losgeschickt wurde, der ankündigte, daß der große Weissager Nostradamus in Paris eingetroffen sei. Unseligerweise hatte jemand zugehört, und noch ehe es Nostradamus gelungen war, sein Abendessen zu sich zu nehmen, belagerten Dutzende von Mägden, Stallburschen, zwei Köche, ein Sattler und ein Sporenmacher sein Zimmer. Doch je mehr er sich mühte, sie wieder loszuwerden, desto mehr drängten durch die Tür. Schließlich gab er es auf. Es war wohl ein Wink des Schicksals, daß er die Zeit, in der er auf die Antwort der Königin wartete, dazu nutzte, seine stark beanspruchte Reisekasse wieder zu füllen.
    Am dritten Abend hatte er gerade den letzten Kunden, einen Pferdezüchter, abgefertigt, als sich zwei Offiziere der Kavallerie einen Weg durch die Menge bahnten. Als der dunkle eine Handvoll Münzen auf den Tisch warf, kniff Nostradamus die Augen zusammen. Ehrgeizige arrogante Schnösel, dachte der alte Prophet. Zudem wird mein Essen kalt. Gerade wollte er sie bitten zu gehen, als er vor seinem geistigen Auge ein Bild sah: das Bild des großen, knochigen Mädchens auf dem braunen Pferdchen. Mit hochgereckter Nase und vor Angst verzerrter Aura ritt sie auf die Kirchtürme von Orléans zu.
    »Hat jemand von Euch mit einer hochgewachsenen, knochigen jungen Frau zu tun, die Gedichte schreibt und einen ungewöhnlich großen scheckigen Hund namens Gargantua besitzt?« fragte er.
    »Meine Schwester«, platzte der blonde junge Mann mit rundem Gesicht heraus. »Aber woher kennt Ihr sie?« Er dachte einen Augenblick nach, dann riß er die Augen auf und trat ehrfürchtig einen Schritt zurück.
    »Ich habe eine Warnung für Euch. Haltet Eure Habgier im Zaum. Das Vermögen, das Eure Schwester eines Tages erben wird, wird niemals Eures sein. Stößt ihr etwas zu, geht es an ein Kloster. Also schaut zu, daß sie Euch wohlgesinnt bleibt.«
    »Sie mir wohlgesinnt? Aber sie hat mir mein Erbe gestohlen.«
    Nostradamus zuckte die Achseln. »So wie es ausschaut, ist es nicht ihre eigene Familie, sondern die des Mannes, den sie heiratet, die reich ist. Und jetzt laßt mich allein. Mein Abendessen wird kalt, und ich habe Euch nicht gerufen.«
    »Wie könnt Ihr es wagen, uns wegzuschicken«, sagte der andere junge Offizier mit dem dunklen Haar und dem schmalen Gesicht. »Wenn ein d'Estouville einen Niedrigstehenden mit seiner Gegenwart beehrt, läßt er sich

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