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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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meinte er mit dieses Mal? Liebte mein Vater mich wirklich? Weigerte er sich aus Ehrgefühl, mich als Gesellschafterin zu verkaufen? Und war meine nachsichtige, immer freundliche Patin in Wirklichkeit nur kalt und geldgierig und dachte, mit Geld bekäme sie alles? Ich war entgeistert. Es ging nicht nur um meine zarte Seele, sondern ich zweifelte allmählich daran, daß ich mich mit dem menschlichen Charakter auskannte, während die beiden vor meinen eigenen Augen die Gestalt zu wechseln schienen.
    Doch jetzt feilschten sie um mich wie um ein Schwein auf dem Markt. Vater mit vom Wein erhitztem Gesicht und Tantchen mit ihrem bleichen, teigigen Teint und Pupillen, die im Halbdunkel riesig wirkten.
    »Du hast mehr geboten, als sie sechs war.«
    »Damals war auch ich jünger. Sie hätte mein sorgenvolles Leben schon jahrelang verschönern können.«
    »Du hättest sie durch und durch verdorben, meinst du. Sie mußte lernen, wo ihr Platz ist.«
    »Du hast sie ja nur behalten, weil ich sie haben wollte.«
    »Pauline, du verdienst keine Kinder, ist dir der Gedanke noch nie gekommen?«
    »Und du verdienst keinen sou von meinem Geld. Alles fällt nach meinem Tod an die Kirche.«
    »Oder an Sibille, wenn ich sie dir gebe. Warum sollte ich ihr zu einem schönen Leben verhelfen, damit sie dann ihre Schwestern und ihren Bruder herumkommandieren kann?«
    »Habe ich nicht gesagt, ich bezahle all deine Schulden? Das ist mehr als genug. Denk an meine Großzügigkeit und daran, wie wenig du sie verdienst, du kaltherziger Schuft von einem Bruder.«
    »Wer ist hier der Schuft, Pauline? Ich habe sie ehrbar aufgezogen und überdies eine anständige Heirat für sie arrangiert, und das ist mehr, als sie verdient.«
    »Sklavendienste für ein junges Ding? Das nennst du anständig? Ich nenne das die kälteste aller Grausamkeiten. Und was wäre, wenn Großvater ihr nicht den Weinberg vererbt hätte? Villasse! Und welche Schandtat hast du mit dem ausgeheckt? Ha! Das hätte ich ja fast vergessen. Du mußt sie hierlassen, Bruder, ob ich dich nun auszahle oder nicht. Ein Jammer, daß dir nun das ganze Geld entgeht!«
    »Wovon redest du, du Wahnwitzige?«
    »Villasse ist tot, und Sibille hat seinen Tod verursacht. Sie ist vor dem Skandal geflohen, Bruder. Du kannst sie nicht im Haus behalten, ohne daß der gute Ruf deiner ganzen elendigen Familie in Gefahr gerät.«
    »Sie hat ihn in den Selbstmord getrieben? Das hätte ich ihm nie zugetraut. O Gott, diese Schande!«
    »So ähnlich jedenfalls. Ich an deiner Stelle würde es nie erwähnen. Du willst doch nicht, daß es sich herumspricht.«
    »Die Anleihen, die er mir versprach… Was ist mit meinen Schulden?«
    »Habe ich mir doch gedacht, daß dich das interessiert. Betrachte mich als Ersatz für Villasse und unterschreibe das Papier hier, Bruder. Ich traue dir in keiner Weise und habe bereits alles vorbereitet. Eine rechtskräftige Vormundschaft. Die verhindert, daß du, wenn sie ihre Mutter besucht, deine väterlichen Rechte wieder geltend machst und beschließt, sie ins Kloster zu stecken.«
    »Das hier ist ein altes Papier…«
    »Ja, aber es ist so gültig wie am Tag, an dem es aufgesetzt wurde.«
    »Dann nimm Sibille und zur Hölle mit dir. Wie schön, sie los zu sein. Sie hat mir nur Ärger bereitet, und jetzt ist sie überreif und nicht mehr zu verheiraten. Ich wünsche dir viel Freude an ihr.«
    »Aber, aber Vater…« Tränen schossen mir in die Augen.
    »Und ich will Bargeld sehen«, sagte Vater.
    »Keine Bange, Hercule, du bekommst es. Weine nicht, Sibille, es ist zu deinem eigenen Besten.« Aber ich war bereits aus dem Zimmer gestürzt. Als ich in mein Schlafzimmer kam, legte ich das schöne Seidenkleid, die hohe Leinenkrause und den Perlenkopfputz ab – warf mich aufs Bett und weinte.
    »Du könntest dir doch wünschen, daß sie dich wahrhaft lieben«, sagte die Schmeichelstimme aus dem Kasten.

Kapitel 11

    21. August 1556

    L etzte Nacht zu Tisch bei Monsieur de Biragues. Das Hühnchen war schlecht gerupft, und von der Sauce habe ich schon wieder eine Magenverstimmung. Wie überleben die Mächtigen nur ihre Küche? Habe Léon zu dem elendigen Apotheker in der Rue St. Jacques nach Sennesblättern geschickt, mögen diese mich bei der nächsten Einladung ins Reich der hohen Herren mit den eisernen Mägen stärken.
    Anmerkung: Ein Traum, der zweifellos von der Sauce herrührt. Zumindest hoffe ich, daß es die Sauce war. Ich befand mich um einiges nach Mitternacht im verdunkelten Raum

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