Die geheime Mission des Nostradamus
Königreich retten.« Die Froschaugen wurden groß, und das runde Gesicht mit dem fliehenden Kinn nickte feierlich Zustimmung.
»Wird er, wird er… mich jemals lieben?« fragte sie.
»Er wird Euch allmählich schätzen lernen«, sagte der alte Prophet.
»Das geschieht nie, solange er im Bann seiner alten Hure ist«, platzte sie jäh und bitter heraus. »Wie ich mich danach sehne, sie loszuwerden! Gebt mir etwas, wodurch sie ihren Einfluß auf ihn verliert! Sagt mir, daß ich eines Tages von ihr erlöst werde!«
»Hoheit, wenn ich mit Zauberei herumspielte, verlöre ich meine Gabe der Weissagung«, gab der alte Doktor zu bedenken, der noch nie gezögert hatte, zu seinem eigenen Nutzen von Zauberei Gebrauch zu machen. Inzwischen hatte er sie jedoch aufgegeben, weil ihm dieses Geschäft zu schmutzig und ermüdend war. »Aber ich kann Euch versichern, daß die Zeit Eurer Erlösung naht.« Eine recht sichere Vorhersage angesichts des Altersunterschiedes zwischen den beiden Frauen, dachte er. Doch die Königin nahm an, er wollte taktvoll sein und ihr von Zauberer zu Zauberer mitteilen, daß ihre eigene Magie schon bald Erfolg haben würde. Das Herz hüpfte ihr vor Freude, und nach einem angenehmen Austausch über eine besondere Salbe, die Nostradamus eigens für sie hatte anfertigen lassen und die ihren Teint für immer strahlend erhalten und sie am Ende schöner als alle ihre Rivalinnen bei Hofe machen würde, bat sie ihn, zu ihren Kindern in Blois zu reisen und ihnen das Horoskop zu stellen. »Ich will, daß alle einen Thron bekommen«, sagte sie.
»Aber gewiß doch«, antwortete Nostradamus. Als man ihn aus dem Audienzzimmer der Königin führte, wurde ihm Unterkunft in einem der luxuriöseren Stadthäuser von Paris angeboten, im Hostel de Sens, dem Heim von Charles, Kardinal von Bourbon und Erzbischof von Sens. Dieses prächtige Gebäude, eins von denen, die zur alten königlichen Enklave namens Hostel de Saint-Pol gehörten, lag genau gegenüber von Les Tournelles und unweit der Bastille. Eine hervorragende Lage, um kleinere Nebengeschäfte zu tätigen, dachte der alte Doktor, wenn auch ein wenig weit entfernt von den Buchläden am linken Seineufer.
Schön, schön, jetzt fehlt nur noch eine Einladung von den Guise, dachte er zufrieden. Es geht doch nichts über rivalisierende Lager, um das Geschäft zu verbessern. Auf einem Hügel bedeutete er seiner Eskorte anzuhalten und genoß den herrlichen Anblick: Wie ein schimmernder Bogen lag die Seine unter ihm und zog sich zwischen smaragdgrünen Ufern in die Ferne. Er holte tief Luft und lauschte dem fernen Gesang eines Vogels, dem Krähen eines Hahns, dem Wind, der die Fahnen auf dem Schloß über ihm knattern ließ. Dabei dachte er glücklich an daheim.
Doch die angenehmen Vorstellungen von den hübschen kleinen Ergänzungen, die er an seinem Studierzimmer vornehmen würde, an die Ausbesserung der Gartenmauer, das neue Kleid zu Weihnachten für seine Frau, wurden durch schmerzende Stiche gestört. Seine Gicht. Verdammt, dachte er, jetzt muß ich vielleicht mit einem neuerlichen Anfall tagelang das Bett hüten. Die Stiche verwandelten sich in stechenden Schmerz. Als er wieder in Paris war, mußte man ihn die Treppe zum Palast des Erzbischofs hinauftragen. Es war, als durchbohrte jemand seine Gelenke mit Nadeln. Selbst nachdem er Léon nach Opium geschickt und dieser es gebracht hatte, floh der Schlaf sein Lager.
Kapitel 12
M ein Erstaunen beim Erhalt Eures Briefes war grenzenlos, aber da Euer Vater ihn mir gegeben hat, nehme ich an, daß wir uns mit seiner Erlaubnis treffen.« Eine Wolke bedrohte die Sonne, und in ihrem kalten Schatten erschauerte Laurette und hüllte sich enger in ihr Umschlagtuch. Sie stand im Apfelgarten unweit des Gutshauses und in Sichtweite der kalten Augen ihres Vaters, der das heimliche Stelldichein vom oberen Stockwerk aus beobachtete.
»Mein Vater und ich sind einer Meinung«, sagte Laurette. »Sibille hat Schande über uns gebracht, so wie sie in der Öffentlichkeit herumstolziert, sich wie eine Hure aufführt und unseren guten Namen in den Schmutz zieht.« Zu ihren Füßen roch es nach verfaulten Äpfeln, den Überbleibseln der letzten Ernte. Man hatte die Schweine in den Obstgarten geschickt, und ihr Gegrunze und der ferne Hahnenschrei störten die herbstliche Stille.
»Sie hat weitaus mehr getan, als Schande über mich zu bringen«, stieß Thibauld Villasse hervor. Sein Gesicht war für immer durch eine dunkle Verfärbung
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