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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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ich. Ich bin hübscher als sie. Und nun sitzt er ihr zu Füßen, während sie, in Samt und Seide gekleidet, ihre albernen Gedichte zum besten gibt.«
    »In dem Brief steht nichts davon, Laurette…«
    »Könnte es aber getrost… Ihr wißt, daß es sich genau in diesem Augenblick so verhält.« Madame de la Roque setzte sich auf das Bett neben ihre wütende Tochter und streichelte ihr den Rücken.
    »Laurette, mein Kind, hör mir zu. Beim Heiraten zählen nur Tatsachen. Du hast keine Aussteuer. Nur durch Gottes Gnade hat dein Vater die Anschuldigungen des bösen Handschuhhändlers niederschlagen können, und wir mußten nicht ins Armenhaus. Falls deine Schwester eine vorteilhafte Verbindung eingeht und in den Augen der Welt an Ansehen gewinnt, wird das auch deinem Bruder zugute kommen, und durch ihn bessern sich auch deine Aussichten auf eine gute Heirat, eine sorgenfreie Heirat…« Madame de la Roques Gesicht wirkte gequält und blaß, ein weißer Grabstein eines geheimen Kummers.
    »Ein alter Mann, ein häßlicher oder ein armer Mann, das ist es, was mir bleibt, Ihr könnt es ruhig aussprechen.«
    »Mein Schatz, mein liebes Kind – wie die Dinge liegen, gibt es gar nichts für dich. Möchtest du als Almosenempfängerin im Haus eines anderen leben?«
    »In Sibilles Haus, meint Ihr! Und ich sage Euch, nie im Leben. Ich hocke nicht in ihrem Haus herum, hüte ihre Kinder, sehe zu, wie Philippe sie zärtlich am Kinn kitzelt und sie ›Schätzchen‹ nennt, während sie diese selbstgefällige, eingebildete Miene aufsetzt wie immer, wenn sie lächelt!«
    »Ach, Laurette, mein schönes, schönes Mädchen – du weißt gar nicht, wie ich für dich bete.«
    »Beten! Wozu soll das gut sein? Sibille stolziert in den prächtigsten Roben umher, und Geld fließt auf sie herab wie Wasser, und ich habe nur Gebete.«
    »Laurette, mein Schatz, mein geliebtes Kind. Hör auf meinen Rat. Laß dich nicht von deinen Gefühlen mitreißen. Falls du dich gemäß der Stellung verheiraten willst, die dir durch deine Herkunft gebührt, mußt du lernen, dich mit eisernem Willen zu beherrschen, so wie ich es gelernt habe – kommt, Mädchen, ich brauche Hilfe, und eure Schwester braucht Ruhe.« Laurettes Mutter stand auf, um an ihre Arbeit zurückzukehren. Doch als sie mit Françoise und Isabelle das Zimmer verließ, flüsterte Laurette mit verkniffener, bitterer Miene: »Wenn Ihr Euch so gut zu beherrschen wißt, warum hat es Euch nichts Besseres eingetragen als eine Heirat mit Vater?«

    Der Alte Konnetabel höchstpersönlich ließ sich dazu herab, Nostradamus zur gegenwärtigen königlichen Residenz in St. Germain-en-Laye zu geleiten. Es gab einen Aufruhr im Gasthof wegen seiner eleganten Pferde und der Militäreskorte in leichter Rüstung. Nostradamus bemerkte die jungen Männer, die ihn aufgesucht hatten, beide prachtvoll beritten. Wer hätte sich besser geeignet für diesen Auftrag als der Alte Konnetabel: In der langen Zeit der Kinderlosigkeit der Königin hatte er auf seinen Reisen in ferne Länder Rezepturen gesammelt, den Rat von Hexenmeistern eingeholt und Fruchtbarkeitszauber für sie mitgebracht. Sie unterhielten eine rege Korrespondenz, wenn ihr Gemahl im Felde stand, denn der König selbst erzählte ihr überhaupt keine Neuigkeit; die vertraute er seiner Mätresse an. Die Königin nannte den Alten Konnetabel ihren »Tratschfreund«, unterzeichnete selbst als »vostre bonne coumère et amye«, und verließ sich darauf, von ihm zu hören, was ihr Ehemann im Ausland trieb; er hielt sie für seine Freundin. Er war so alt, ein Überbleibsel vom Hof König Franz' I. und sie um so vieles jünger, von so viel höherem Rang und so unansehnlich, daß niemand eine heimliche Liebschaft argwöhnte. Und was das Vorankommen auf der gesellschaftlichen Leiter betraf, so hatte niemand auf sie gesetzt, ehe sie die Kinder bekam: Wer unbedingt in Gunst stehen wollte, scharte sich um die Mätresse, nicht um die Ehefrau.
    Doch es gab noch einen anderen Grund, warum Anne de Montmorency, Großkonnetabel von Frankreich, Nostradamus von Paris zum Schloß begleiten wollte, das nur ein paar Meilen entfernt auf einem Felsvorsprung über der Seine thronte. Er wollte sich von dem Wahrsager auf dem Ritt inspirieren lassen. Auch hatte er vor, sich mit ihm anzufreunden, sein Vertrauen zu gewinnen und sich heimlich die Zukunft auslegen zu lassen, wobei es nicht um die Zukunft Frankreichs ging, sondern um seine eigene bei Hofe.
    Montmorency sah sich selbst als

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