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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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entstellt, die von einer Schwarzpulverexplosion ganz in seiner Nähe herrühren mußte. Sein rechtes Auge lag verborgen hinter einer schwarzen Lederklappe.
    »Eure Verletzung betrübt mich sehr, Monsieur de la Tourette«, sagte Laurette mit groß aufgeschlagenem, blauem, mitfühlendem Blick. Ihr schlichtes blaues Wollkleid tat ein übriges, und das wußte Laurette. Sie hatte sich das volle goldene Haar zu einer Krone geflochten und sich in die Wangen gekniffen, damit sie für dieses wichtige Treffen rosig schimmerten. Zeig Interesse, hatte ihr Vater gesagt, und vielleicht heiratest du ja doch noch, mein Mädchen. Mein Vater ist dumm, dachte Laurette, aber ich nicht. Ich werde diese Chance ergreifen und bekommen, was ich will.
    »Eure Schwester ist der leibhaftige Teufel«, sagte Villasse. »Ich lebe nur noch, weil sie nicht mit Feuerwaffen umgehen kann.« Er trug schwere Jagdstiefel, sein altes Lederwams und einen Hut mit breiter Krempe, den er sich über dem langen, strähnigen, ergrauenden Haar tief in die Stirn gezogen hatte. Seine braune Stute stand angebunden hinter ihm, ihre Flanken noch feucht vom langen Ritt.
    »Ich verabscheue sie«, bekräftigte Laurette. »Sie ist nicht mehr meine Schwester. Außerdem hat sie mir die Aussteuer gestohlen, die meine Tante mir zugedacht hätte.«
    »Wie auch das Erbe, das Euer Vater von seiner Schwester erwarten konnte. Schließlich hat sie keine Kinder – es war töricht von ihm, ihr Sibille zu geben…«
    »Aber«, sagte Laurette, »falls Sibille ein schrecklicher Unfall zustößt und sie nicht heiraten kann, wird meine Tante natürlich großzügig mir gegenüber sein – schließlich bin ich auch ihre Nichte.«
    »Ein Unfall? Ihr meint, umbringen…?«
    »O nein, das wäre zu – ich meine, das ist eine Sünde –, aber Rache, Auge um Auge, Zahn um Zahn, das ist gerecht, oder…«
    »Woran denkt Ihr?«
    »Derzeit umschwärmen sie die Männer. Sie lebt im Luxus und freut sich über den Schaden, den sie Euch angetan hat. Es ist kein Verbrechen, es ihr heimzuzahlen…«
    »Wie?« Villasse beugte sich vor, und seine Stimme klang auf einmal fordernd.
    »Wenn sie häßlich wäre, blind – so wie sie versucht hat, Euch zu blenden –, dann könnte sie sich niemals verheiraten, sich nicht einmal mehr in der Öffentlichkeit blicken lassen. Sie wäre nicht mehr unterhaltsam. Meine Tante würde zweifellos dafür sorgen, daß sie im Kloster leben könnte. Sibille hat ohnedies immer gesagt, daß ihr das am liebsten wäre. Und dann würde Tante Pauline mich als Gesellschafterin haben wollen.«
    »Und wie soll das geschehen?«
    »Vitriolöl… Ich weiß alles darüber. Man kann es nicht abwaschen. Es verbrennt das Fleisch bis auf die Knochen. Nur ein Spritzer, nun ja, aber an die richtige Stelle. Dann wird sie sich für den Rest ihres Lebens verstecken müssen, und den Angreifer kann sie dann auch nicht mehr erkennen.«
    »Und ich soll das Ganze arrangieren?«
    »Ich kann nicht weg von hier. Außerdem weiß ich nicht, wie man es beschafft. Aber Ihr, Ihr könnt überallhin.«
    »Was für ein brillanter Plan«, sagte Villasse leise bei sich. »Einen solchen Plan kann nur eine Frau ersinnen.« Er blickte zu Laurette hinunter. Sie war so bezaubernd, so unschuldig, so viel hübscher als ihre knochige große Schwester, die Hexe. Wie konnten so verschiedene Wesen Schwestern sein? Die hier war eine echte Schönheit.
    »Ich würde den Mann lieben, der mir Gerechtigkeit verschafft«, sagte Laurette und blickte durch ihre langen Wimpern zu ihm auf.
    »Dann wollt Ihr also Euren Vater aus seinem Erbe verdrängen?« fragte Villasse in herablassendem, belustigtem Ton.
    »Er ist schon verdrängt«, sagte Laurette. »Tante Pauline hat ihm erklärt, daß sie ihr Erbe Sibille oder aber einem Kloster vermacht. Aber wenn Sibille nicht mehr bei ihr weilt, wird sie einsam werden…«
    Während Laurette zusah, wie Villasse auf seinem Pferd in der Ferne verschwand, hörte sie hinter sich die welken Blätter rascheln.
    »Nun, Laurette, hast du ihn auf meine Schulden angesprochen?« Als sie die Stimme ihres Vaters hörte, drehte sie sich um.
    »Gewiß Vater, genau wie Ihr mich gebeten habt«, antwortete sie.
    »Ich bin mir sicher, daß er deinem hübschen kleinen Gesicht nicht widerstehen kann«, sagte der Sieur de la Roque. »Das wollen wir doch hoffen«, meinte Laurette.

    In Paris, weit entfernt von diesem entlegenen Gut, steht in der Rue de Bailleul ein reiches Haus, dessen spitzgiebliges Schieferdach ein

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