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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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mein Lebtag keine zwei Damen erblickt, die so wenig zusammenpassen. Der Drang, sie heimlich zu beobachten, verstärkte sich. Er ging sehr langsam, besah sich die Auslagen der Läden und tat so, als mustere auch er die Vorbeigehenden, blieb mehrmals vor dem Schaufenster eines Juweliers stehen und erhaschte einen Blick auf das im Innern stattfindende Geschäft. Es war seltsam – die Ältere, die Duena, schien auszusuchen, nicht die Jüngere. Als sie den Laden munter plaudernd verließen, schnappte er den Satz auf: »Señor Alonzos Kruzifix könnte an der Kette gar nicht besser zur Geltung kommen. Mein Schatz, du mußt es wirklich vorteilhafter zeigen…« O weh, die Mätresse eines Ausländers! Schlimmer noch, die eines Spaniers. Es gilt die Ehre Frankreichs: Ich muß ihn ausfindig machen und zum Duell fordern, dachte der junge Mann. Ich werde ihn auf dem Felde der Ehre mit Schmach und Schande bedecken und ihn in seinen Hundezwinger jenseits der Pyrenäen zurückschicken. Das berauschende Gefühl, eine Mission zu haben, überkam ihn und löschte jeden noch so flüchtigen Gewissensbiß darüber aus, daß das Verfolgen einer Dame auch nicht gerade ehrenhaft war.
    Am späten Nachmittag kannte er den Handschuhmacher, dem sie den Vorzug gaben, und die drei Schuster, den Tuchhändler, einen Fächerhersteller und zwei Konditoren, die sie mit einem Besuch beehrten. Außerdem hatte er bemerkt, daß die junge Dame die eigenartige Angewohnheit hatte, naturwissenschaftliche Werke zu lesen und zu diesem Zweck am Montag nachmittag in zwei Wochen zu ›Den vier Elementen‹ in der Rue St. Jacques zurückkehren und sich erkundigen wollte, ob ihre Bestellung der Historia Animalium eingetroffen war. Sie ist zu gut für diesen Spanier, dachte er betrübt, während er zu seinem Vaterhaus in der Rue de Bailleul zurückging. Sie kommt doch aus einer recht anständigen Familie, abgesehen von ihrer wirrköpfigen Base Matheline. Was hat sie dazu getrieben? Man kann nicht die ehemalige Mätresse eines Spaniers heiraten, selbst wenn man ihn getötet hat. Wozu sollte ein Duell noch gut sein? Ihr Ruf ist ruiniert. Es ist vorbei. Schlag sie dir aus dem Kopf, redete er sich ein. Doch je mehr er sich gut zuredete, desto klarer zeichnete sich ihr Bild strahlend vor der Sonne ab.

    »Tantchen, meinst du nicht auch, daß Mutter das hübsche Armband, das wir ausgesucht haben, einfach hinreißend findet? Und die silberne Rassel ist genau richtig für das Kleine…« Das Gesicht der hochgewachsenen jungen Frau glühte vor Freude, während sie ihre Einkäufe auf dem Bett ablegte. Die außergewöhnlich runde alte Dame, die ihr gefolgt war, seufzte, während sie sich auf den Stuhl neben dem Tischchen sinken ließ.
    »Oh! Meine Füße. Ach, Sibille, das war ganz wie in alten Zeiten. Deine Mutter und ich hatten so viel Spaß, als wir noch jung waren. Wenn sie doch nur bei uns sein könnte! Wir würden auf der Straße nach dem schönsten jungen Mann Ausschau halten und davon träumen, daß wir eines Tages jede in einem Schloß wohnen und uns gegenseitig besuchen. Aber mein Bruder ist so tyrannisch, daß er sie nicht einmal mehr aus dem Haus läßt – ich weiß wirklich nicht, warum du darauf bestanden hast, auch ihm ein Geschenk zu kaufen. Ach! Sieh mal, der Tisch! Der gräßliche Kasten ist weg!«
    »Und das Fenster steht offen«, bemerkte die Jüngere, ging durchs Zimmer und blickte nach draußen. »Nein, so etwas! Jemand ist geradewegs vom Balkon da unten hochgeklettert und hat ihn gestohlen. Dieser Nostradamus ist der größte Prophet der Welt!« Sie schloß das Fenster und tanzte durchs Zimmer, während die alte Frau verständnisvoll lächelte.
    »Nur eins verstehe ich nicht«, sagte Tante Pauline und bettete ihren schlimmen Fuß auf einen Schemel.
    »Was denn nicht, Tantchen?«
    »Wir haben vor drei Tagen Nachricht nach Saint-Germain geschickt, daß wir angekommen sind, und mittlerweile hätten wir darauf Antwort haben sollen. Allmählich kommt mir das alles verdächtig vor.«
    »Ma tante, wir haben den Brief, und darin steht, daß sie so viel von meinen Gedichten gehört hat und wünscht, die Autorin kennenzulernen.«
    »Ja, aber der Bote hat auch gesagt, daß es nichts schaden könne, wenn wir eine gewisse Schatulle mitbrächten, an der die Königin interessiert ist, wir wüßten schon, welche. Also, was hat dieser Leon noch gesagt – wer würde sie stehlen? Maistre Cosmo, der Astrologe der Königin. Sibille, ich glaube, wir sind da in etwas

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