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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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hielt er die Schachtel mit den Giften und der Zauberausrüstung für einen Malerkasten und ließ Ruggieri im Gefolge des königlichen Pagen durch.
    Ruggieri schlich durch lange Flure und spähte in unbekannte Räume, bis er endlich zum Schlafgemach kam, in dem Nostradamus Wohnung genommen hatte und wo der Page unentwegt auf die Tür einhämmerte. Die Tür ging einen Spalt auf, und ein Diener vertrat ihm den Weg. Ruggieri konnte die Stimme des Propheten hören.
    »Was ist los, Königspage? Du machst einen Heidenlärm wegen eines entlaufenen Hundes. Such auf der Landstraße nach Orléans, dort wirst du ihn, an einer Leine geführt, finden.« Meiner Treu, er hat den Knaben nicht einmal gesehen oder gehört, was sein Begehr ist. Nein, das kann nicht sein – das ist ein billiger Trick. Als sich der tief beeindruckte Page zum Gehen wandte, um nach dem wertvollen Hund aus dem königlichen Zwinger zu suchen, der ihm entlaufen war, hörte man die Stimme erneut. »Lungert nicht länger vor meiner Tür herum, Cosmo Ruggieri der Jüngere. Der Geist hat mir gesagt, daß Ihr kommen und mich behelligen würdet. Geht oder kommt herein, stellt Euch vor, wie es sich gehört, und setzt Euch. Ihr wollt, glaube ich, wissen, warum Euer Todeszauber nicht gewirkt hat.«
    »Keine Ahnung, was Ihr meint, Maestro«, sagte der Zauberer und kam der Aufforderung nach.
    »Aha, so seid Ihr also am Wachposten vorbeigekommen«, sagte Nostradamus, während er Ruggieris abgerissene Maskerade musterte. »Es war sehr unhöflich, mich mit einem Todeszauber zu belegen, ehe Ihr zu einem Anstandsbesuch antretet.« Der alte Doktor saß in einem Sessel mit hoher Rückenlehne neben einem Tisch, auf dem Geburtskarten und eine Wahrsageausrüstung lagen. Seinen Gichtfuß hatte er auf einen gepolsterten Schemel gebettet.
    »Wieso glaubt Ihr, daß ich es war?« fragte Ruggieri.
    »Mein zweites Gesicht«, antwortete Nostradamus gelassen. »Ihr seid kaum zu verkennen – Ihr schlagt stark nach Eurem Vater, als er in Eurem Alter war. Und ich hätte Euch verdrängt, falls ich der offizielle Astrologe der Königin werden sollte. Wer sonst hätte sich also meinen Tod gewünscht?«
    »Dieser Simeoni«, beeilte Ruggieri sich zu sagen. »Ihr habt keine Vorstellung, wie mißgünstig er ist.«
    »Simeoni kann nicht einmal Regen vorhersagen, wenn der Himmel bewölkt ist. Habt Ihr die Geschichte gehört, wie er beim Horoskop des Herzogs von Mailand wegen eines Tintenkleckses den Mond in Jupiter gebracht hat?«
    »Ha! Simeoni, wie er leibt und lebt«, höhnte Ruggieri und dachte nur eines: Horch ihn aus. Bring ihn zum Reden. Er wird sich brüsten und sein Geheimnis preisgeben. Das tut jeder. »Den könnte ein Kleinkind übertrumpfen. Aber ich… mich schlägt niemand im Wahrsagen – oder im Zaubern…« Ruggieri merkte, wie Nostradamus ihn musterte, abschätzte. Jetzt kann er nicht widerstehen, dachte der gerissene italienische Zauberer.
    »Leider habe ich Euch übertrumpft. Aber natürlich war es einfach – ich hatte Hilfe von Menander dem Unvergänglichen.« Nostradamus lächelte ein geheimnistuerisches Lächeln, das Ruggieri noch mehr reizen sollte.
    »Ihr habt ihn… Ihr habt den Kasten. Er… er gehört mir. Ich habe ihn holen lassen. Gebt ihn mir.«
    »Leider habe ich ihn nicht«, sagte der alte Doktor. »Er ist im Besitz einer jungen Frau, die nicht weiß, was sie an ihm hat.«
    »Hat sie ihn geöffnet?«
    »Natürlich nicht; sie bekommt das Schloß nicht auf. Sie hat ihn hergebracht, damit ich mit meinem Zweiten Gesicht herausfinde, was sich drinnen befindet, und ich habe ihr gesagt, sie solle sich nicht sorgen, er sei wertlos.« Mit einem Blick zur Decke, als überlege er, sagte der listige alte Doktor: »Also – ich könnte mir vorstellen, daß sie ihn Euch verkauft, falls Ihr sie darum bittet. Sie wohnt in dem recht teuren Gasthof zum heiligen Michael, und ich bin überzeugt, daß sie demnächst Geld brauchen wird.« Und als Ruggieri enteilte, ohne sich auch nur zu bedanken, sagte Nostradamus zu seinem Diener: »Leon, lauf schnell zu Madame Tournet und sag ihr, sie soll ihren Schmuck verstecken und den Kasten für jedermann sichtbar aufstellen. Der Astrologe der Königin wird ihn in Kürze stehlen.«
    »Und Ihr habt ihm nicht gesagt, er könne ihn kaufen?«
    »Falls er nur annähernd so geizig und verschlagen ist wie sein Vater, denkt er nicht im Traum daran. Es auf die ehrliche Art zu tun widerspräche seinem Stolz. Nein, zweifellos wird er des Nachts ins Fenster

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