Die geheime Mission des Nostradamus
hineingeraten, und nicht etwa wegen deiner Gedichte.«
»Die Königin muß keine Diebe losschicken, da wir ihr Menander mit Freuden überlassen würden.«
»Ja, aber vielleicht wissen noch mehr Menschen, daß wir ihn besitzen. Habe ich dir nicht gesagt, du solltest es geheimhalten? Bist du dir sicher, daß deine geschwätzige Base Matheline nichts davon mitbekommen hat?«
»Vollkommen sicher. Ich habe keiner Menschenseele davon erzählt. Aber es ist mir schrecklich peinlich, daß meine Kunst vielleicht nur den ihr zustehenden Beifall erhält, weil ich durch Zufall in den Besitz eines mumifizierten Kopfes gelangt bin.«
»Na schön, aber hier geht etwas vor… Ich frage mich, wie viele Menschen bei Hofe wohl wissen, daß wir ihn haben. Ich kann nur hoffen, daß man nicht herausfindet, wie man ihn dir endgültig wegnehmen kann und…«
»Du meinst, falls er wahrhaftig gestohlen ist, wird die Einladung widerrufen, und wir schleichen uns in Schimpf und Schande mit den Leseexemplaren nach Hause. Und falls er zurückkehrt, ist mein Leben in Gefahr…«
»Mehr oder weniger, ja.«
»Wirklich, Tantchen, ich weiß nicht, was schlimmer ist. Ist dir klar, wie sich Vater über mich lustig machen wird? Bei dem Gedanken wäre ich lieber tot.«
»Und ich lasse weder das eine noch das andere zu. Mir muß etwas einfallen. Ja, ich ziehe noch einmal Maistre Nostredame zu Rate. Der scheint sich mit Menanders Gewohnheiten gut auszukennen.«
»So schnell zurück?« sagte der Inhaber der ›Vier Elemente‹. »Das Buch ist noch nicht da und sie auch nicht.« Die Ladenglocke klingelte erneut, als sich zwei Alchimisten, in ein Gespräch vertieft, durch die Tür schoben. Das Fenster, das neben der Tür zu einem Schaufenster heruntergeklappt war, stand offen, ließ sowohl Licht als auch Luft herein, und den Studenten und gelehrten Doktores des Linken Ufers bot sich eine verlockende Auslage von Büchern.
»Ich… ich suche nach Marozzos Opera Nova«, sagte Nicolas Montvert.
»Zum Kaufen oder zum Schmökern?« fragte Maistre Lenormand.
»Zum Kaufen, sowie mein Vater mir Geld gibt«, verkündete Nicolas. Der Buchhändler rümpfte spöttisch die Nase. »Tut nicht so herablassend«, sagte Nicolas. »Ich erwarte jeden Augenblick Geld von Achille – sonst kaufe ich woanders.«
»Nach all dem Geld, das ich Euch vorgestreckt habe? Ich hätte nicht übel Lust, Eurem Vater zu erzählen, daß Ihr Euch gegen Bezahlung in einer nicht zugelassenen Fechtschule mit Gecken meßt…«
»Dann wird er dafür sorgen, daß ein gewisser Verhaftungsbefehl für die Bastille ausgestellt wird, und ich kann nie mehr Bücher bei Euch kaufen«, gab Nicolas zurück.
»Aber, aber, wer wird denn gleich so frech werden?« beschwichtigte der alte Mann. »Ihr wißt doch, daß ich kein hartes Herz habe.«
»Ihr solltet Euch lieber mit mir gutstellen.« Nicolas holte sich das begehrte Buch vom Bord und blätterte darin. »Ich habe die Absicht, eines Tages berühmt zu werden. Die Leute werden in Scharen genau hierher strömen, und das nur, weil ich hier Marozzo gelesen…«
»Legt das zurück, Ihr nutzt es ab.«
»Da, seht her. So wie Marozzo hier die Riposte mittels einer niedrigen Parade beschreibt, liegt er völlig falsch. Mein Buch wird viel besser als das hier – Ihr werdet Dutzende von Exemplaren verkaufen.«
»Euer Buch existiert noch gar nicht, junger Herr. Und Ihr glaubt, Ihr könntet den berühmten Marozzo übertreffen? Habt Ihr es bereits zu Ende geschrieben? Habt Ihr schon einen Drucker gefunden?«
»Ja – ich bin fast fertig… Und ich bin sicher, daß jeder gute Drucker die Gelegenheit ergreifen würde, einen solch wichtigen neuen Text über das Fechten zu…«
»Nicolas, Nicolas, hört auf den guten Rat eines alten Mannes. Lernt das Gewerbe, das Euer Vater für Euch vorgesehen hat. Widmet Euch Euren Studien, macht ihn glücklich. Er ist kein schlechter Mensch, und er will nur Euer Bestes. So wie Ihr lebt, wie Ihr Euch mit diesen üblen Gesellen herumtreibt, endet Ihr eines Tages tot in der Gosse und brecht ihm das Herz. Tretet in sein Geschäft ein, Nicolas, Ihr gewinnt keinen anderen Stand als den, in den Ihr hineingeboren seid, wie sehr Ihr Euch das auch wünschen mögt.«
»Ich und Bankier werden? Aber dann – dann dürfte ich es nicht einmal wagen, den Blick zu ihr zu erheben. Sie steht so weit über mir, Maistre. Ich kann doch nicht im Dreck leben, wenn ich nach den Sternen greifen will. Ich muß berühmt werden, und das auf der Stelle.
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