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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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alles, was sie hat? Sagt mir, habt Ihr vor, selbst Gebrauch davon zu machen?«
    »Natürlich nicht. Es könnte Zeugen geben. Dazu will ich jemanden dingen. Vielleicht könnt Ihr mir einen Namen nennen?«
    »Ich kenne mehrere Burschen, aber die sind teuer. Falls Ihr nicht soviel ausgeben wollt, versucht es im Schwarzen Bullen, unten am Fluß. Dort verkehren ausgediente Soldaten, die zu allem bereit sind. Nur bezahlt dem gedungenen Mann nicht gleich die volle Summe. Bietet ihm die Hälfte, und die andere, wenn die Arbeit getan ist.«
    »Eine ausgezeichnete Idee, Maestro. Ich merke schon, hier bin ich an der richtigen Adresse.«
    »Ich bin stets bemüht, meinen Kunden nur beste Qualität anzubieten«, sagte Maestro Lorenzo und holte eine kleine braune Flasche mit Vitriolöl aus einem verschlossenen Schrank hinten im Zimmer. »Denkt daran, falls Ihr es doch selbst schleudern wollt, Ihr müßt unbedingt Handschuhe tragen.«

    Eine träge Sommerbrise mit einem unterschwelligen Hauch des nahenden Herbstes bewegte die Baumwipfel. Jenseits der Gartenterrasse von Saint-Germain erstreckte sich im Dunst das Panorama der Stadt Paris mit Fluß, fernen Mauern und Kirchtürmen. Die hochgewachsene junge Dame blieb stehen. »Ach, wie wunderbar«, seufzte sie. Sie spazierte am Arm ihres Bruders, eines kühnen, fröhlichen jungen Mannes von mittlerem Wuchs, der die Stiefel, die Pluderhosen und das Wams des Offiziers trug. Ein hellroter Umhang lag über seiner Schulter. Seit ihrer letzten Begegnung hatte er sich einen Schnurrbart wachsen lassen, der jedoch nicht ganz so prächtig ausgefallen war wie erhofft. Zu ihrer Linken schritt ein ungewöhnlich schneidiger junger Offizier mit durchdringenden blauen Augen und einem stattlicheren Schnurrbart. Er trug das otterbraune Haar unter dem kleinen Federhut straff zurückgekämmt, sein Wams mit dem hohen Kragen hatte eine Krause, die ihm bis zu den Ohren reichte – die allerneueste Mode. Ein kunstvoll gegossenes italienisches Rapier an seiner Seite, auch die allerneueste Mode, kündete vom Reichtum und vom Wagemut des Besitzers.
    »Gedichte, Sibille – wer hätte gedacht, daß sie dir einmal eine königliche Audienz eintragen würden?« sagte ihr Bruder lachend.
    »Ich bin mir sicher, daß ich die Gedichte deiner Schwester genauso zu würdigen wüßte wie deine Schwester selbst«, schmeichelte der junge Offizier.
    Sibille errötete vor Freude. »Ich habe, abgesehen von dem Vorzeigeexemplar, nur eine armselige Abschrift.«
    »Und welch ein Zufall, daß ich dich hier antreffe, daß der Konnetabel und M. de Damville von Ecouen hierher gekommen sind. Wer weiß, vielleicht wirst du die neue Entdeckung bei Hofe werden und sogar eine königliche Zuwendung erhalten. Wer hätte gedacht, daß dein Gekritzel so viel wert ist? Als ich Laurettes Brief bekam, mußte ich wirklich lachen. Man konnte sie vom Gut her vor Wut kreischen hören. Natürlich bin ich dir immer wohlgesinnt gewesen – aber du kannst es Laurette nicht verdenken, daß sie neidisch ist, weil Tante Pauline dich zur Gesellschafterin haben will, und nicht sie.«
    »Ich bin froh, daß es zwischen uns nichts geändert hat, Annibal. Du bist der einzige, der sich über mein Glück zu freuen scheint.«
    »Und ich«, fügte Philippe d'Estouville mit angenehm schmeichelnder Stimme hinzu. »Niemand hat das Glück mehr verdient.«
    »Wie geht es Villasse?« fragte Annibal. »Laurette schreibt, daß ihn ein Jagdunfall fast aufs Sterbelager geworfen hat.«
    »Tantchen ist fest entschlossen, die Verlobung zu lösen, ob er nun gesund ist oder krank. Sie hat einen Advokaten gefunden, der beweisen kann, daß er durch einen entfernten Vetter mit Großvater verwandt ist. Und das bereinigt also alles. Sie sagt, der Gedanke, daß er auch nur den Hauch einer Gelegenheit erhält, die Hand auf ihr Vermögen zu legen, ist ihr unerträglich.« Sie war so vertieft in die Unterhaltung mit dem charmanten Offizier zu ihrer Linken, daß sie das leichte Zögern ihres Bruders beim Ausschreiten nicht bemerkte, auch nicht, wie er bei der Erwähnung des Wortes »Vermögen« in die Ferne blickte.
    »Ich bin dem Mann einmal begegnet. Er ist zu häßlich für eine schöne junge Dame – Annibal sagt, er sei außerdem habgierig.«
    »Nach einem Weinberg, meiner Mitgift«, ergänzte Sibille.
    »Nach einem Weinberg, pah – was für ein kleinlich denkender Mensch«, entrüstete sich d'Estouville. Sibilles verstörter Blick ließ ihn hastig hinzusetzen: »Damit will ich sagen,

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