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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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trocknet.«
    »Das geht leider nicht. Die Königin höchstpersönlich hat angeordnet, daß ich sie nie in andere Hände als ihre eigenen gebe.«
    »Das gefällt mir«, hörte man eine Stimme aus der Tiefe des Zimmers, und dort erblickte ich eine gedrungene, plumpe Gestalt in weißem Gewand neben einem kleinen Tisch, der wie ein Altar geschmückt war und an dessen Enden schwarze Kerzen in silbernen Kerzenhaltern brannten. »Ich merke, Ihr seid diskret und haltet Wort. Mehr könnte ich nicht verlangen. Und jetzt gebt mir die Schatulle.« Ich holte den Kasten aus der Reisetasche. Gespenstisch flackerte der Kerzenschein auf seiner Oberfläche. Ich hasse dieses Ding, dachte ich, als ich es der Königin gab. Wenn ich es doch nur los wäre. Das könntest du dir wünschen, sagte Menanders Stimme in meinem Kopf. Und so, wie du arbeitest, erfüllst du mir den Wunsch, indem du mich tötest, entgegnete ich genauso stumm, während ich der Königin die Schatulle überreichte. Natürlich, sagte die heimliche Stimme, genauso sind mich die anderen losgeworden.
    Doch die Königin hatte den Kasten schon auf den Altar zwischen die beiden schwarzen Kerzen gestellt, und obwohl sie mir den Rücken zukehrte, konnte ich sie in einer unbekannten Sprache psalmodieren hören wie eine Geisterbeschwörerin im Theater. Danach machte sie mit einem Ruck den Deckel auf. Die Dame neben mir hielt den Atem an und erschauerte beim Anblick von Menander. Irgendwie sah er an diesem Abend noch abstoßender aus, seine Haut glich der abgestreiften Haut einer Viper, die braunen Zähne in seinem gräßlichen, mumifizierten Mund wirkten wie Reißzähne, und seine brandigen Augen waren das personifizierte Böse. Er wußte, daß er ein Opfer hatte und daß dieses Opfer eine Königin war, die vor Begierde jede Vernunft vergaß und zu allem fähig war, sogar zum Schacher mit ihrer Seele. Mir wurde übel, und ich fröstelte in meinen klammen, kalten Kleidern.
    Doch die Stimme der Königin ertönte gelassen und ohne ein Beben: »Endlich«, sagte sie. »Endlich gehört dein Zauber mir, o Unsterblicher. Und heute abend will ich eine große Tat vollbringen, eine, nach der ich mich schon lange gesehnt habe.«
    Die Hofdame neben mir wandte sich ab, schloß die Augen und bedeckte die Ohren, als sich das abstoßende Ding im Kasten bewegte, als wollte es sprechen.
    Schließlich sagte es mit schwacher Stimme, die klang, als wäre sie eingerostet und käme aus einer anderen Welt. »Erlauchte Königin, befehlt mir.«
    Mit fester Stimme sprach Katharina von Medici die Worte, die unter dem Schloß des geöffneten Kastens eingraviert waren: »Bei Agaba, Orthnet, Baal, Agares, Marbas beschwöre ich dich. Almoazin, Membrots, Sulphae, Salamandrae öffnet das dunkle Tor und hört mich an.«
    »Sagt Euer Begehr«, sprach das Ding, und ein Verwesungsgeruch stieg von ihm auf.
    »Ich, Katharina von Medici, Gemahlin des großen Heinrich IL, Sohn des mächtigen Franz I. befehle und wünsche, daß der Herzogin von Valentinois der Einfluß auf meinen Gemahl genommen wird, und zwar für immer.«
    »Es ist geschehen«, sagte der Herr aller Wünsche. »Die Zeit wird die Wahrheit erweisen.«
    »Endlich.« Die Königin holte tief Luft. »Ich bekomme meinen Herzenswunsch erfüllt und kann meinem Sohn den Thron sichern. Vor den Spaniern – und vor den Guise. Alles mit einem einzigen schlichten Wunsch.« Als sie den Kasten zuklappte, drehte sie sich zu mir um. »Versiegelt das hier gut und nehmt es mit – ach, Ihr seid ja ganz naß. Maddalena, führt die Demoiselle fort, sie soll sich am Kamin trocknen, besorgt ihr Nachtwäsche und ein Bett… Nicht, daß sie sich ein tödliches Fieber holt. Ich merke schon, an ihr habe ich eine treue Dienerin.« Während ich den Kasten verpackte, fragte sie jäh: »Demoiselle, warum habt Ihr diesem Zauberkasten keinen Herzenswunsch anvertraut?«
    »Majestät«, sagte ich fröstelnd, »weil ich Angst habe.«
    »Ach«, gab sie zurück. »Ihr seid eben keine Königin.«

    In dieser Nacht tat ich in dem geborgten Nachthemd und der Schlafmütze kein Auge zu und lauschte auf den Atem der beiden anderen Hofdamen im Bett, denn die furchteinflößende Schwärze innerhalb der Bettvorhänge raubte mir den Schlaf. Mir war, als hörte ich auch Menander leise und finster in seinem Kasten unter dem Bett atmen.
    Und dann seine Stimme, ein Flüstern wie abgestorbene Binsen, die im Winterwind rascheln: »Du solltest dich umbringen. Es wäre ganz leicht. Du stehst einfach auf und

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