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Die geheime Reise

Titel: Die geheime Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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heraus, dass sich die Nabelschnur um deinen Hals gewickelt hatte. Mein Gott«, Jo strich sich die Locken aus dem Gesicht, »ich weiß nicht, was ich ohne Flora gemacht hätte. Sie war die Ruhe in Person. Im nächsten Moment stand jedenfalls die Ärztin im Zimmer, und ehe ich mich versah, war ich im OP gelandet. Ich war mittlerweile total hysterisch und klammerte mich an Floras Hand. Es war mein Glück, dass sie dabei sein durfte.
Dreimal hat die Narkoseärztin die Rückenmarksspritze ansetzen müssen, weil ich so außer mir war. Nachdem es endlich geklappt hatte, ging’s los.« Jos Augen schwirrten durchs Zimmer. »Ich werd nie vergessen, wie sie mir dieses grüne Tuch vor die Brust gespannt haben, wie der Vorhang zu einer Vorstellung, die ich nicht sehen sollte. Flora saß an meinem Kopf und streichelte über mein Haar. Mein Unterleib war schlagartig taub geworden, aber wie sie mich aufgeschnitten haben, spürte ich trotzdem. Nicht schön, gar nicht schön.« Jo schauderte bei dem Gedanken daran.
»Aber dann, Mausebacke, dann warst du plötzlich da. Wie ein Kasperlepüppchen hat dich die Ärztin über den grünen Stoff gehalten, bevor sie mit dir losgeflitzt ist, zur Babystation. Aber deine Augen waren offen, deine großen Kulleraugen, die …«
An dieser Stelle brach Jo plötzlich ab. Ihre Mundwinkel sackten nach unten, sie griff nach dem Glas, hob es aber nicht zum Mund und plötzlich schien es Wanja, als versuchte sich ihre Mutter krampfhaft an etwas festzuhalten.
»Und wo war Papa?«
Jo zuckte zusammen und Wanja erschrak über ihre eigene Frage. Sie war ihr einfach herausgerutscht und jetzt, wo sie im Raum stand, wünschte Wanja, sie hätte sie nicht gestellt. Aber sie hatte und Jos Gesicht verdunkelte sich schlagartig. Auch ihr Tonfall war ein anderer, die Worte »Du-weißt-ganz-genau-dass-ich-über-diesesThema-nicht-sprechen-möchte« schossen wie kleine Glassplitter aus ihrem Mund, hart, scharf und abgehackt.
Wanjas Kehle fing an sich zuzuschnüren und ein Gemisch aus Trauer, Angst und Hilflosigkeit machte sich in ihr breit, genau wie bei den früheren Malen, bei denen sie versucht hatte Jo etwas über ihren Vater zu entlocken. Selbst Flora hielt sich strikt aus diesem Thema raus und Wanja wusste, dass sie sich ab jetzt auf dünnem Eis befand, auf hauchdünnem Eis. Doch im Unterschied zu früher, wo Jos Gesichtsausdruck schon ihre ersten Versuche im Keim erstickt hatte, trieb Wanja heute etwas dazu, weiterzufragen.
»Dann sag mir wenigstens, wo Papa war, als ich geboren wurde.«
»Wanja, bitte!« Jos Blick wurde starr und ihre Miene versteinerte sich. »Du hast mir  versprochen  mich mit diesem Thema in Ruhe zu lassen.«
Wanja biss sich auf die Oberlippe, Schröder sprang, als ob er die Spannung im Raum spürte, von ihrem Schoß herunter und verzog sich aus der Küche. Wanja wusste, was sie Jo versprochen hatte. Aber das war vor zwei Jahren und im Grunde gegen ihren Willen gewesen und jetzt  konnte  sie einfach nicht locker lassen, obwohl sich ihre Kehle inzwischen anfühlte wie ein zugebundener Sack.
»Ich will es aber wissen, Jo«, presste sie hervor. »Wenn ich älter bin, hast du damals gesagt, ich  bin  jetzt älter! Hat Papa dich im Krankenhaus besucht? Hat er mich gesehen? Jo? Weiß er überhaupt von mir? Weiß Papa, dass er eine Tochter hat?«
Als Wanja sah, wie Jo bei dem Wort  Papa  beide Male wieder so heftig zusammenzuckte, als wäre sie geschlagen worden, hielt sie inne.
So weit hatte sich Wanja bis jetzt noch nie vorgewagt, auch das Wort »Papa«, hatte sie nie zuvor laut ausgesprochen und Jos Reaktion traf sie wie ein Donnerschlag.
Krachend fiel der Küchenstuhl hinter Jo zu Boden, so heftig war sie aufgesprungen und die Augen, mit denen sie ihre Tochter anstarrte, waren jetzt dunkelgrau und stechend wie Pfeile. Als Nächstes fiel der Kirschsaft um, weil Jo mit der Hand gegen ihr Glas geschlagen hatte, als wollte sie ihm eine Ohrfeige verpassen. Der blutrote Saft ergoss sich über den Küchentisch, das Glas rollte herunter und fiel klirrend zu Boden.
»Du willst verdammt noch mal nicht wissen, was mit deinem beschissenen Vater war, hörst du?«, schrie sie Wanja ins Gesicht. »Dein Vater war das Allerletzte, ein Arschloch, verstehst du mich, ein hundsgemeiner Betrüger, und jetzt lass mich verdammt noch mal in Ruhe mit diesem Thema, hast du mich verstanden, ein für alle Mal, ich will dieses Wort Papa nicht hören, denn du hast keinen gottverdammten Papa, hast du das endlich

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