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Die geheime Reise

Titel: Die geheime Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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nachfragen konnte, klingelte unten das Telefon.
    »Das ist bestimmt Jo«, sagte Flora.
    Aber es war nicht Jo. »Da ist ein Mischa für dich«, sagte Flora und hielt Wanja den Hörer hin. Schröder war hinter Flora durch die Tür geschlüpft. Mit einem schweren Satz landete er auf dem Fußende von Wanjas Bett und tapste schnurrend bis zu ihrer Brust hoch.
    »Hallo?« Wanjas Herz klopfte, obwohl Flora das Zimmer verlassen hatte und sie mit ihrem Gespräch alleine ließ.
    »Ich bin’s.«
    »Hallo.« Wanja biss sich auf die Lippe. Wie blöd, dachte sie. Hallo hab ich doch schon vorhin gesagt.
    Am anderen Ende der Leitung war Stille.
    »Ich …«, sagte Wanja schließlich.
    »Ich …«, sagte Mischa im selben Moment.
    Dann sagten beide nichts.
    »Ich hab dich heute nicht in der Schule gesehen«, kam es nach endlosen Sekunden von Mischas Seite.
    Wanja atmete aus. »Ich bin krank.«
    »Ach so.«
    »Aber eigentlich geht’s mir schon wieder besser.«
    »Aha.«
    »Tja.«
    Wieder breitete sich Schweigen aus.
    »Was brummt denn da?«
    Wanja grinste. »Schröder.«
    »Schröder?!«
    Wanja musste lachen. »Mein Kater.«
    »Ach so.«
    Wanja schob ihren Kater ein Stück nach unten und gab sich einen Ruck. »Wenn du Lust hast, komm mich doch besuchen. In die Schule geh ich morgen bestimmt noch nicht.« Ihre Finger krallten sich fest um den Hörer.
    »Nachmittags?«
    Wanjas Finger lockerten sich. »Ja, gern.«
    »So um zwei dann.«
    »Okay.«
    »Bis dann.«
    »Ja, bis dann.«
    Wanja legte auf und ließ sich erschöpft in die Kissen zurückfallen. Sie fühlte sich, als wäre sie gerade einen steilen Berg hinaufgelaufen.
    Kurz darauf steckte Flora grinsend den Kopf in die Tür. »Ein Verehrer? Warst du deshalb so still, als ich dich nach deinen Erlebnissen gefragt hab?«
    Wanja zeigte Flora einen Vogel. Nein, ein Verehrer war Mischa ganz bestimmt nicht. Das war auch das Letzte, was Wanja von ihm wollte – und in dem Moment, wo Flora es ansprach, fühlte sich Wanja seltsam erleichtert, dass sie diese Art von Gefühl mit solcher Sicherheit ausschließen konnte. Aber irgendwas war trotzdem da und plötzlich merkte Wanja, dass sie sich nicht nur nach Taro, sondern auch nach Mischa gesehnt hatte.
    »Natalie hat auch noch nichts gehört«, erzählte sie Mischa am nächsten Tag. Sie saßen in der Küche und Wanja ging es schon wieder so gut, dass Jo am Morgen beruhigt zur Arbeit gegangen war.

    »Natalie?« Mischa sah sie erstaunt an. »Wo hast du die denn getroffen?«
    »In der Eisdiele.« Wanja schob Mischa den Teller mit den Salzstangen hin. »Aber Britta aus meiner Klasse war dabei, da konnten wir nicht sprechen. Natalie hat nur den Daumen nach unten gehalten, also hat sie nichts gehört.«
    Mischa musterte die Miniaturschweine, die Jo auf dem Fensterbrett aufgestellt hatte, und fuhr erschrocken zurück, als Schröder mit einem Satz auf seinem Schoß landete. Wanja grinste, und als Mischa seine Hand nach Schröders Fell ausstreckte, um ihn zu streicheln, verzog sich sein Mund zu einem Lächeln. Schröder schnurrte in Höchstlautstärke und machte es sich auf seinem neuen Platz bequem.
    »Wer ist eigentlich dieser Zwerg da draußen, der mich vorhin mit Knetbällchen beschossen hat?«, fragte Mischa und zeigte aus dem Küchenfenster.
    Wanja grinste. »Brian. Breien Trockenbrodt. Die größte Nervkröte des Jahrtausends.«
    »Was für ein Name. Ich dachte schon, das wär dein Bruder.«
    »Oh nein!« Wanja verdrehte die Augen. »Zum Glück nicht. Ich hab keine Geschwister. Und du?«
    »Ich auch nicht.« Mischa knabberte an einer Salzstange. »Arbeiten deine Eltern den ganzen Tag?«
    Wanja musterte Mischa. All die Wochen hatten sie kein Wort miteinander gewechselt. Und jetzt saß er plötzlich hier in ihrer Küche. Und stellte sogar Fragen .
    »Meine Mutter«, betonte sie, während sie sich frischen Kamillentee eingoss, »meine Mutter arbeitet den ganzen Tag.«
    Mischa zog die Augenbrauen hoch. »Und dein Vater?«
    Wanja zuckte mit den Schultern. »Der große Unbekannte.«
    »Stimmt, das hast du damals schon gesagt.« Mischa griff noch einmal nach den Salzstangen und sah zu Lottchen, dem geflügelten Schwein am Kronleuchter, hoch. Lottchen hatte eine dicke Staubkrone auf dem Kopf. Julia, ihre Putzfrau, hatte vor zwei Monaten gekündigt und Jo hatte noch keine neue gefunden.
    »Hast du ihn noch nie gesehen?«
    Wanja hielt sich die heiße Teetasse so dicht vors Gesicht, dass ihre Haut von dem aufsteigenden Dampf ganz feucht wurde. »Nein,

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