Die geheime Reise
ich dein Huhn in den Ofen!« Zu Baba gewandt, fügte er hinzu: »Ich werde das schon noch schaffen, da mach dir mal keine Sorgen!«
»Dann ist ja alles gut«, sagte Baba vergnügt. »So folgt nach deinen Pfeilen Pati Tatüs Huhn-aus-dem-HutNummer. Weiter geht’s mit Reimundos Schafen und als Letztes vor der Abschlussrunde kommen Taro und Wanja auf dem Trapez. Nach dem Schlussapplaus spielt wie immer Taro sein Lied auf dem Saxofon und ihr«, Baba nickte O und Noaeh zu, »studiert zusammen mit Mischa bitte eure Musikeinlagen ein. Taro wird wie immer die Anleitung übernehmen.«
Keiner hatte etwas einzuwenden. Baba überflog noch einmal seinen Zettel, nickte zufrieden, schüttelte dann aber den Kopf. »Der Ablauf gefällt mir, aber etwas fehlt. Ich möchte die Vorstellung gerne als Reise präsentieren, als circensische Reise ins traumhafte Reich der Phantasie. Aber mir fehlt noch immer der passende Rahmen.«
Die Artisten fingen an zu murmeln, beratschlagten sich, dann ertönte aus dem allgemeinen Gewirr eine Stimme.
»Einen Rahmen habt ihr doch.«
Wanja fuhr herum. Der Satz war von Mischa gekommen. Es schien ihm äußerst unangenehm zu sein, zum zweiten Mal im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Er sah aus, als würde er sich am liebsten in Luft auflösen, aber er zeigte dennoch zur Ehrenloge. Baba stutzte, dann klatschte er begeistert in die Hände.
»Der rote Rahmen! Junge, das ist es! Dass mir das nicht früher eingefallen ist, natürlich! Ihr beide, du und Wanja, ihr werdet den Einstieg machen. Ihr sitzt in der Ehrenloge und steigt dann aus dem roten Rahmen; ganz am Anfang, wenn niemand da ist und alles wartet. Ja, ja, das ist es!« Baba rieb sich die Hände und sein Gesicht glühte vor Freude, als er fortfuhr. »Ich sehe es genau vor mir. Im Dämmerlicht auf der Bühne wird ein Koffer stehen, ein riesiger Koffer. Aber alles wird still sein, ganz still, nichts geschieht, bis das Scheinwerferlicht auf den roten Rahmen strahlt, hinter dem ihr beide sitzt, Wanja und Mischa. Ihr steht auf und steigt heraus. Ihr betretet die Manege und geht auf den Koffer zu. Ihr klappt die Schnallen auf – und der Koffer wird sich einen Spalt weit öffnen. Aus dem Inneren wird eine Musik ertönen und ein helles Licht wird herausstrahlen. Dann öffnet sich der Koffer weiter. Heraus kommen Noaeh und O. Ihr beide nehmt Mischa mit zu euch, nach oben auf den Balkon, wo euer erstes Stück beginnt. Zur Musik kommen dann die anderen Artisten aus dem Koffer, den Wanja jetzt ganz aufklappen wird. Ihr braucht Kostüme, die noch nicht erkennbar machen, wer ihr seid, Madame Nui wird sich bestimmt etwas Gutes einfallen lassen. Als Letzter kommst du heraus, Taro. Du nimmst Wanja an die Hand und zusammen mit den anderen verschwindet ihr hinter dem Vorhang. Das Licht geht aus und wieder an. Es ist so weit. Die circensische Reise kann beginnen.« Baba schwieg und seine Augen funkelten, als er erwartungsvoll in die Runde sah.
»KLINGT NICHT SCHLECHT!«, sagte Thyra nach einer Weile. Die anderen nickten. Taros Augen ruhten auf Mischa, sein Gesicht hatte einen zärtlichen Ausdruck.
»Wann beginnt die Vorstellung denn?«, fragte Wanja leise, als sich die anderen Artisten regten und die Manege verließen. Nur Mischa, O und Noaeh blieben an der Treppe zum Musikerbalkon stehen.
»Konzentriert euch jetzt ganz auf die Proben, bitte«, rief Baba den Artisten hinterher, »und bestellt recht bald eure Kostüme, damit Madame Nui genügend Zeit bleibt.«
»Es dauert nicht mehr lange«, gab Taro Wanja zur Antwort.
»Ich möchte heute gerne mit Mischa, O und Noaeh die Musik besprechen. Wir beide proben dann das nächste Mal. In Ordnung?«
Wanja starrte zur Seite und angelte nach ihrer Haarsträhne. Nein, es war nicht in Ordnung. Sie wollte sich nicht vordrängeln, aber wenn es bis zur Aufführung nicht mehr lange hin war, wie konnte Taro dann sicher sein, dass überhaupt genug Zeit blieb, um …
»Hey.« Taros Stimme holte sie zurück. Als Wanja ihn ansah, fühlte sie, dass er wusste, was sie dachte. »Bis jetzt ist zwischen euren Besuchstagen kaum mehr als ein Tag vergangen. Ich bin ganz sicher, dass wir uns vor der Aufführung noch ein paar Mal sehen werden. Okay?«
Wanja runzelte die Stirn. Kaum mehr als ein Tag? Für sie und Mischa war es jedes Mal ein ganzer Monat oder mehr bis zum nächsten Besuchstag gewesen! Verhielt sich die Zeit, die sie im Bild verbrachten, genau umgekehrt? Vom Gefühl her waren sie jedes Mal Stunden in Imago, doch immer
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