Die geheime Sammlung
hätten aufgehört im Washington Square Park zu spielen, weil der Vogel versucht hätte, sie anzugreifen. Und kurz bevor Mona verschwand, hatte ich den Eindruck, ich hätte etwas am Himmel schweben gesehen.«
»Wo? Hast du das Dr.Rust erzählt?«
Anjali schüttelte den Kopf und bemühte sich um ein Lächeln. »Außerhalb des Repositoriums. Aber es verschwand zu schnell. Ich war mir nicht sicher, was ich gesehen habe.« Sie war fertig mit der Robe und schnitt den Faden mit einer Schere ab. »Genug von diesem Kram. Das ist mir zu gruselig. Gibt es hier irgendein lustiges Zeug, an dem ich arbeiten kann?«
»Guck mal im Schrank nach«, sagte Marc.
»Lustiges Zeug?«, fragte ich.
»Magie.« Anjali ging zu einem großen, grauen Schrank mit Doppeltüren am Ende des Raums. »Hier werden die Sachen aus dem Grimm-Sammelsurium aufbewahrt, die repariert werden müssen.« Sie nahm ihre Spange heraus, eine Kaskade schwarzen Haars regnete herab, und sie presste die Spange auf die Klinke.
»Öffne mir, dann helf ich dir«
, intonierte sie. Die Tür schwang auf. »Oh, wir haben Glück! Tischleindeckdich! Hat jemand Hunger?«
»Die französische Version oder die deutsche?«, fragte Marc.
»Deutsch. Die französische ist unterwegs, wie üblich.«
»So ein Pech. Na ja, besser als nichts. Ich verhungere. Ich hatte nach dem Training keine Zeit zum Essen.«
»Was ist ein Tischleindeckdich?«, fragte ich.
Anjali griff in den Schrank und holte einen kleinen Holztisch heraus. »Erinnerst du dich nicht an das Grimm’sche Märchen
Tischleindeckdich, Goldesel und Knüppelausdemsack?
Der Tisch deckt sich selbst mit Essen, wenn du es ihm befiehlst.«
»Wieso ist er im Reparatur-Schrank? Ist er kaputt?«
»Das bezweifle ich. Wahrscheinlich muss er nur mal wieder ordentlich saubergemacht werden.« Anjali schaute auf einen Zettel, der an einem Tischbein hing. »Ich hatte recht. Jemand hat mit Bier oder Blutwurst oder so was gekleckert. Wir werden ihn schrubben müssen, also können wir uns ruhig erst mal bedienen. Tischlein, deck dich!«
Augenblicklich füllte sich der Tisch mit so vielen dampfenden Gerichten, dass man ein leichtes Knarren hörte.
»Wow, das sieht gut aus! Aber ist das nicht – ich meine, dürfen wir das?«, wandte ich ein. »Sollten wir es nicht vermeiden, mit Magie umzugehen?«
»Kühe muss man doch auch melken. Der Tisch wird unruhig, wenn er zu lange keine Leute füttern kann. Und zum Putzen müssen wir ihn sowieso anfassen.« Anjali hob den Deckel einer Schüssel an. Ein herzhafter Geruch nach Kohl füllte den Raum. »Willst du mit den Würsten oder den Kartoffeln anfangen?«
»Würste, ganz klar«, sagte Marc.
»Okay.« Sie hob mehr Deckel an und stocherte mit einer Gabel herum. »Du kannst Blutwurst, Mettwurst, Bockwurst, Fleischwurst, Leberwurst, Grützwurst und natürlich Bratwurst haben. Und was ist das? Weißwurst, glaube ich.«
»Ein bisschen von allem, bitte«, sagte Marc.
Anjali gab ihm eine mit Würsten gefüllte Platte. »Was ist mit dir, Elizabeth?«
»Ich stehe nicht so auf Würste – vielleicht einfach ein paar Kartoffeln?«
»Okay«, sagte Anjali. »Kartoffelbällchen, Kartoffeltopf, Kartoffelkroketten, Kartoffelbrei, Kartoffelknödel, Kartoffelkrusteln, Kartoffelnocken, Kartoffelpuffer oder Kartoffelschnitz, Salzkartoffeln, Stampfkartoffeln, Rosmarinkartoffeln, Pellkartoffeln, Petersilienkartoffeln, Kartoffelklöße oder Kartoffelpüree? Oder vielleicht ein paar Bratkartoffeln? Oder einfach Pommes frites?«
»Ich weiß nicht – ich lass mich überraschen.«
»Nimm den. Überbackener Kartoffelauflauf, mein Lieblingsgericht. Mit viel Käse.«
»Danke.« Es war köstlich und reichhaltig – zarte Kartoffelscheiben mit einer cremigen Käsesoße. »Woher weißt du, wie die Gerichte heißen?«, fragte ich.
»Ich habe sie nachgeschlagen. Ich wollte wissen, was wir essen.« Anjali linste unter noch mehr Deckel.
»So ist Anjali – sie liebt es, Dinge nachzuschlagen. Gibt’s Schupfnudeln?«, fragte Marc.
»Was sind Schupfnudeln?«
»So eine Art Zwischending aus selbstgemachten Nudeln und Klößen. Oh, hier gibt es Hasenpfeffer! Ich liebe Hasenpfeffer.«
»Und was ist Hasenpfeffer?«
»Geschmorter Hase mit schwarzem Pfeffer.« Sie nahm sich einen Teller voll. »Mmmm! Sag das bloß nicht meinen Eltern, wir leben zu Hause vegetarisch.«
»Kann ich auch was haben?« Marc reichte ihr seinen Teller.
»Eine Sache verstehe ich nicht«, sagte ich, während ich mir ein weiteres Stück
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