Die geheime Sammlung
sagte Jaya. »Das ist sehr wichtig. Er beschützt dich vor magischen Angriffen. Nein, Elizabeth, die andere Richtung. Du machst ihn verkehrt herum.«
Schließlich produzierte ich einen Klumpen, der die beiden Enden zu verbinden schien. »Und nun der Reim – sprich mir nach«, sagte Jaya.
»Trotz und Trutz, dieser Zauber gibt dir Schutz.«
»Trotz und Trutz, dieser Zauber gibt dir Schutz«
, wiederholte ich und zog den Knoten fest. »Okay?«
Jaya zog misstrauisch am Knoten. Er verrutschte ein wenig, löste sich aber nicht. »Ich hoffe es«, sagte sie. »Du bist dran, Marc.«
»Jaya«, sagte er, »das Garn ist pink.«
»Oh. Du hast recht. Aber ich hab keine andere Farbe dabei.« Sie biss ein weiteres Stück mit ihren Zähnen ab, zog seinen Arm zu sich heran und knüpfte den Knoten.
Marc runzelte die Stirn, ließ sie aber weitermachen. Vermutlich hatte er dank André viel Erfahrung im Ertragen kleiner Geschwister. »Du bringst Jaya am besten nach Hause, während ich mich mit diesem Wallace Stone befasse«, sagte er mir.
»Wenn du das versuchst, schreie ich und sage, du hättest mich entführt«, sagte Jaya. »Man wird mir glauben – ich sehe kein Stück aus wie du. Ihr müsst mich mitnehmen.«
»Vielleicht können wir einen Oger finden, der Lust hat, sie zu fressen«, sagte Marc.
»Vielleicht ist Wallace Stone ein Oger«, antwortete ich.
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Kapitel 18
Marc geht einen Handel ein
D as Gebäude in der Otters Alley war eine alte Fabrik mit großen Fenstern und acht Klingeln. Marc drückte diejenige, auf der
W. Stone
stand.
Nach einer Minute erklang eine Stimme aus dem Lautsprecher: »Wer ist da?«
Marc und ich warfen uns verzweifelte Blicke zu. Wir hatten vergessen, uns eine Tarngeschichte zuzulegen. Noch ehe wir sie aufhalten konnten, schob Jaya ihren Kopf vor und verkündete: »Hier ist Jaya Rao. Ich bin hier, um meine Schwester zu retten.«
Für einige Sekunden herrschte Stille, dann ertönte ein Summer und die Tür ging auf. Wir nahmen den scheppernden alten Fahrstuhl in den siebten Stock und klingelten.
Ich erkannte Wallace Stone auf Anhieb wieder: der Gast aus dem Repositorium, der Mann, der versucht hatte, mir die Kiste mit den Akrobaten an der Fifth Avenue abzunehmen.
»Ach, du bist es! Hallo noch mal«, sagte er. »Hast du mir mein Paket zurückgebracht?«
»Sie!«, sagte ich.
»Wo ist meine Schwester!«, rief Jaya.
Er drehte sich um, musterte sie. »Sieh an, sieh an«, sagte er. »Die andere – ein passendes Paar.«
Jaya baute sich im Korridor vor ihm auf. »Wo ist sie? Wo ist Anjali? Geben Sie sie zurück!«
»Ich wünschte, ich könnte es. Aber ich habe sie nicht.«
»Anjali!
Anjali!
Wo verstecken Sie sie?« Jaya schob sich an ihm vorbei und spähte in das Apartment. »Anjali!«
Mr.Stone öffnete die Tür weit. »Ja, komm ruhig herein und schau dich um. Bring deine Freunde mit. Du wirst sehen, ich sage die Wahrheit. Deine Schwester ist nicht hier.« Er zog höflich und mit geradezu affektierter Geduld eine Augenbraue hoch. Wir folgten Jaya in das Apartment.
Der Geruch überwältigte mich im ersten Moment. Er war unverwechselbar und unmöglich genau festzulegen, wie der Geruch im Grimm-Sammelsurium, aber irgendwie gröber, herber. Es roch wie das falsche Paket, das Mr.Stone versucht hatte mir statt der Akrobaten zu geben. Keine Hyazinthen, aber Lösungsmittel; kein Lehm, aber nasse Asche.
Vom Geruch taumelnd, sah ich mich um, um mich zu sammeln. Das Apartment war ein großes Loft mit hoher Decke. Es schien teilweise Wohnung und teilweise Lager zu sein. Auf Podesten, Tischen und Ständern lagen herrliche alte Gegenstände – Uhren, Gemälde, Vasen, Radios –, die alle aussahen, als könnten sie magisch sein. Auf dem Computer lief ein schwindelerregender Bildschirmschoner, der sich widerwärtig drehte. Er erinnerte mich an das Wirbeln im Inneren des
Kuduo
. Ich sah weg.
»Kann ich euch irgendetwas anbieten? Eine Limonade?«
»Meine Schwester!«
»Entschuldigt mich einen Moment.« Mr.Stone ging hinter eine niedrige Mauer. Wir hörten, wie sich der Kühlschrank öffnete und schloss. Jaya stapfte herum und sah hinter Möbeln nach Anjali.
Mr.Stone kam mit Getränken und Keksen zurück. »Kräuterlimonade? Sprudelwasser?«
»Meine Schwester!«
Er goss ein Glas Kräuterlimonade ein und hielt es mir hin. »Nein, danke«, sagte ich. Er bot es Marc an, der gleichfalls den Kopf schüttelte. Jaya nahm sein Angebot nicht einmal zur Kenntnis – sie funkelte ihn einfach nur
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