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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Kopf. Der Talisman übte einen mächtigen Zauber auf sie aus, und sie wusste, sie musste sich allein auf die Suche machen. Seit sie den O’Rourkes begegnet war und gemerkt hatte, was sie für John empfand, wusste sie, dass sie sich mit der Vergangenheit aussöhnen musste, bevor sie an die Zukunft denken konnte. Sich mit dem Verrat des Menschen aussöhnen, den sie am meisten geliebt hatte, mit der Wut auf ihr Baby, ihre kleine Schwester. Was war, wenn Willa weitere Spuren hinterlassen hatte? Sie musste es herausfinden.
    Der Sturm hatte die Stunde der Entscheidung heraufbeschworen: Noch bevor Kate Wissenschaftlerin geworden war, hatte sie gewusst, dass Sturmwinde und Wellen auf die Atmosphäre einwirkten und die Wetterlage oft so nachhaltig beeinflussten, dass sogar die menschliche Chemie in Mitleidenschaft gezogen wurde. Vollmond, Sonnenflecken, Wirbelstürme, Schneestürme und selbst die gute alte steife Brise aus Nordost waren in der Lage, Ionen durcheinander zu wirbeln und der Welt ein völlig neues Gepräge zu verleihen.
    Kate und Willa waren sturmerprobt. Auf einer Insel geboren, die eine natürliche Barriere bildete, einen erhobenen Finger aus Sand, der dem mächtigen Atlantik Einhalt gebot, hatten sie Stürme geliebt. Sie waren durch die Dünen gestreift, bei Tag und bei Nacht, und hatten die Wellen beobachtet, die den Strand peitschten.
    Heute Abend war es so weit. Der Kummer schnürte ihr die Luft ab. Was immer Willa getan und wo sie auch Zuflucht gesucht haben mochte, heute Abend würde sie der Lösung des Rätsels ein Stück näher kommen.
    Kate wusste jetzt schon, dass Willa der Leuchtturm gefallen hätte. Vielleicht hatte sie einen Spaziergang dorthin gemacht, genau wie sie heute Nachmittag. Vielleicht hatte sie Bonnie dabeigehabt und angehalten, um den nach Westen fließenden Bach zu betrachten. Kate spürte, wie ein Schluchzen in ihr aufstieg. Der goldene Talisman besaß eine wesentlich größere Bedeutung als die Postkarte oder Willas Name im Anmelderegister eines Gasthofs, war mehr als ein zwingendes Beweismittel. Er war ein Symbol der Liebe, die sie miteinander verband, etwas Kostbares, das Willa auf der Haut getragen hatte.
    Sie verabschiedete sich von dem Richter und Maeve, Maggie und Teddy, versprach, bald wieder zurück zu sein, zog ihren grünen Wollmantel an und setzte die weiche weiße Baskenmütze auf. Den Kopf gesenkt, um dem Sturm zu trotzen, das Herz von Kummer und einer sonderbaren Hoffnung für die Zukunft erfüllt, lief sie nach draußen zu der Garage hinter dem Haus, um den alten Lincoln anzulassen.
     
    Es war ein Duell, das sie sich lieferten. Hier in der weitläufigen Scheune, wo ein imposanter Anbau des Gasthofs entstehen sollte, konnte John die Spannung, die zwischen Barkley und ihm bestand, deutlich spüren. Maggie befand sich in Sicherheit, aber die beiden Männer hatten noch eine alte Rechnung zu begleichen.
    »Harte Zeiten, John«, sagte Barkley. »Ich weiß, dass du viel durchgemacht hast.«
    »Das lass nur meine Sorge sein – und darum geht es im Moment auch gar nicht. Hat Caleb den Ziegelstein durch unser Fenster geworfen?«
    »Jetzt mach aber mal einen Punkt. Jeder weiß von deinem Aufsehen erregenden Fall, dass du Greg Merrill verteidigst. In meinem Bautrupp gibt es ein paar Heißsporne … die nicht viel in der Birne haben und sich das Maul darüber zerreißen, dass du versuchst, einen Serienmörder aus dem Todestrakt freizubekommen. Von dem Ziegelstein haben wir erfahren, weil wir den Glaser kennen, der die Fensterscheibe ausgewechselt hat – das ist alles.«
    »Caleb weiß mehr«, erwiderte John beharrlich.
    Barkley hob die Hand. »Das ist nicht wahr. Du solltest niemandem etwas unterstellen, was du nicht beweisen kannst, John. Ich sage dir das nur zu deinem eigenen Besten – du bist in unserer Stadt derzeit nicht besonders beliebt.«
    »Das war eine strafbare Handlung.« John war außer sich vor Wut. »Der Täter hätte meine Kinder verletzen können.«
    »Sag es ihm, Dad«, drängte Caleb.
    »Halt den Mund.« Barkleys Tonfall war scharf.
    Caleb stieg von der Leiter herunter. »Dann sag ich es ihm! Er verdient es zu erfahren, Dad. Er hat mich damals herausgepaukt!«
    »Hör auf, etwas zu behaupten, dessen du dir nicht sicher bist.«
    »Ich bin mir aber sicher.« Caleb trat näher, sah John nervös, aber freundlich an. Er war ein Kindskopf, der in schlechte Gesellschaft geraten war und Dummheiten begangen hatte, die ihn mit dem Gesetz in Konflikt gebracht

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