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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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und Ermordung von Frauen drehten. Je mehr er sich bemühte, diesen Gedanken Einhalt zu gebieten, desto zwingender wurden sie. Die unterdrückten Gefühle stauten sich immer mehr auf, bis er nicht anders konnte, als sie auszuleben.
    John sah seine Aufgabe darin, das Gericht mit Beckwiths Hilfe davon zu überzeugen, dass diese paraphile Störung als mildernder Umstand in Betracht gezogen und die Todesstrafe im Berufungsverfahren aufgehoben werden sollte.
    Als es an der Tür klopfte, schob John die Unterlagen beiseite, verdeckte sie und rief: »Herein.«
    »Dad?«
    Es war Teddy, und John winkte ihn herein. Als er seinen Sohn auf der Schwelle stehen sah, in seiner mit Grasflecken übersäten Fußballkluft, stieß John einen Seufzer aus. Er hatte schon wieder ein Spiel seines Sohnes verpasst.
    »Dad – dein Gesicht! Das ist ja überall grün und blau.«
    »Ich weiß.« John lachte. »Sieht schlimmer aus, als es ist. Aber dafür werde ich im Gericht Angst und Schrecken verbreiten – selbst die Richter werden einen Bogen um mich machen. Was gibt’s?«
    »Ich wollte nur wissen, was mit dem Kindermädchen ist. Kate.«
    »Ach ja, Kate.« John lehnte sich in seinem Stuhl zurück, die Arme hinter dem Kopf verschränkt.
    Teddy antwortete nicht. Mit hoffnungsvollen Augen wartete er auf die Erklärung seines Vaters.
    »Sie schien mir eine intelligente, tüchtige Person zu sein«, fuhr John fort. »Leider nur, was Belange angeht, die nichts mit der Betreuung meiner Kinder zu tun haben. Sie hat deine Schwester ohne mein Einverständnis zu einer Besorgung mitgenommen, ohne eine Nachricht zu hinterlassen …«
    »Das war meine Schuld«, warf Teddy ein.
    »Deine Schuld?«
    »Dass sie mit Brainer losgefahren ist, um ihn zu baden. Das lag nur daran, dass ich gesagt hatte, sein Fell sei völlig verfilzt. Sie sagte, dass ihre Schwester auch einen Hund hat und – egal. Schade, dass du nicht dabei warst. Aber glaube mir, Dad, sie ist prima. Sie ist die Beste, die wir bislang hatten. Maggie und ich fanden sie beide ganz toll.«
    »Du kanntest sie doch kaum, Teddy. Sie war insgesamt nicht länger als – wie viele Minuten mit euch zusammen? Fünfzehn?«
    Teddy zuckte mit keiner Wimper. Er war groß und schmal, mit einem ernsthaften, bedrückten Ausdruck tief in seinen Augen. Er hatte sein jungenhaftes Wesen schon so lange abgelegt, dass John sich kaum mehr daran erinnern konnte. Teddy stand nun wie ein Gegner im Gerichtsaal vor ihm.
    »Wir möchten, dass sie zurückkommt, Dad.«
    »Ted, davon kann keine Rede sein. Ihr …«
    »Ich weiß, ich weiß – du wirst jetzt behaupten, sie habe unvernünftig gehandelt. Und wenn man die näheren Umstände nicht kennt, könnte man das vielleicht zu Recht meinen. Aber eigentlich hat sie sehr viel Vernunft bewiesen, Dad. Denk doch mal nach: Maggie war vor Sorge um dich völlig außer sich. Brainer war mit Zecken und Flöhen übersät – was wäre gewesen, wenn eine Zecke sie gebissen und Borreliose übertragen hätte? Kate war umsichtig, hat ihn gebadet. Du hättest sie nicht entlassen sollen, Dad.«
    »Die Staatsanwaltschaft erklärt sich mit dem Schluss des Beweisverfahrens einverstanden«, antwortete John schmunzelnd.
    »Hol sie zurück, Dad. Bevor die Agentur eine von diesen Frauen schickt, die zwar alles richtig, aber völlig lieblos und gelangweilt machen – sie strotzen vor Vernunft, geradezu lächerlich. Aber sie lachen nicht über Maggies Witze, oder baden Brainer, oder kaufen uns einen Kürbis für Halloween.«
    »Sie hat einen Kürbis gekauft?«
    »Hast du ihn nicht gesehen? Er liegt auf der Treppe vor dem Haus.«
    »Ach ja, stimmt. Ich dachte wohl, Mrs. Wilcox hätte ihn vorbeigebracht.«
    »Nein, er ist von Kate. Und noch etwas, Dad: Diese anderen Frauen sind nicht geblieben.«
    »Ich weiß.« Die Worte versetzten John einen Stich. Sie hielten es nicht lange aus, weil er ein Sklaventreiber war. »Und wie kommst du auf die Idee, Kate würde bleiben?«
    »Das kann ich nicht erklären. Ich weiß es einfach.«
    John lehnte sich zurück, überlegte. Die Gefühle hatten hohe Wellen geschlagen, keine Frage. Vielleicht hatte er
tatsächlich
überreagiert. Diese Kate Harris hatte sich möglicherweise wirklich nichts Böses dabei gedacht; ganz im Gegenteil, Brainers Bad war für Maggie ein Ansporn gewesen, selbst ein ausgedehntes Schaumbad zu nehmen. Zwei Probleme, an einem Tag gelöst.
    Er blickte auf seine Uhr, es war sechzehn Uhr achtundfünfzig. Somit blieben ihm genau zwei Minuten,

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