Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
sich seit Ewigkeiten, seit sie in der Highschool zu viert ausgegangen waren – Barkley und sie, Theresa und er –, doch nun verband ihn insgeheim noch eine Art Seelenverwandtschaft mit ihr, von der sie möglicherweise nie etwas erfahren würde: Ihre Ehepartner hatten ein Verhältnis miteinander gehabt, hatten sich überall an der Küste heimlich getroffen. John setzte sich noch aufrechter hin, aus Stolz, obwohl die Tatsache, sich in Barkley Jenkins’ Haus zu befinden, in ihm brannte.
    »Greif zu«, forderte sie ihn abermals auf und schüttelte den Teller. »Nimm gleich ein paar mehr, für Teddy und Maggie. Ich habe sie neulich auf ihrem Fahrrad gesehen – hübsches Mädchen.«
    John warf einen flüchtigen Blick auf seine Uhr. Trotz Teddys Protest hatte er Mrs. Wilcox gebeten, herüberzukommen und eine Stunde bei den Kindern zu bleiben. Teddy hatte erklärt, er sei alt genug, um auf seine Schwester aufzupassen, aber nach diesem Morgen wollte John kein Risiko eingehen. Er hatte die Türen hinter sich zugesperrt – Brainer war ins Auto entwischt, erpicht auf die Spazierfahrt – und war hierher gefahren, um mit Kate Harris zu sprechen.
    Felicity stand da und sah schweigend zu, wie John kaute. Er spürte ihren Blick, der auf ihm ruhte, und konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie etwas auf dem Herzen hatte. Vielleicht wusste sie doch Bescheid. Sie hatte die kräftige Statur eines Menschen, der an harte körperliche Arbeit gewöhnt war, blonde Haare, zu einem nachlässigen Knoten hochgesteckt, und einen scharfen, offenen Blick.
    »Wie geht es Caleb?«, fragte John, um sie abzulenken.
    »Hervorragend.« Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. »So gut wie nie zuvor. Er arbeitet jetzt bei seinem Vater auf dem Bau – Barkley hat ihn beauftragt, den Verputz am Leuchtturm auszubessern. Die Stürme fordern ihren Tribut, und da der Winter vor der Tür steht …«
    »Sehr gut«, sagte John; seine Muskeln verkrampften sich, als der Name fiel. »Freut mich zu hören.«
    »Es gab nie wieder ein Problem mit ihm – kein einziges Mal – seit …«
    »Wunderbar.«
    »Nicht, dass wir damit gerechnet hätten.« Felicity lachte. »Jungen sind nun mal wild, und nur weil einige Leute keinen Spaß verstehen … Ich bin jedenfalls froh, dass dieser wunderbare Psychiater erkannt hat, dass mein Junge hyperaktiv ist, und die Geschworenen von seiner ADD -Störung überzeugen konnte …«
    In diesem Augenblick hörten sie, wie eine Tür im Flur des ersten Stocks geschlossen wurde. Felicity tätschelte Johns Arm. »Eine Geheimniskrämerin«, lächelte sie. »War noch nie hier, scheint aber bestens über den Ort informiert zu sein. Ihre Schwester hat offenbar einmal bei uns logiert. Eine Mandantin von dir?«
    John schüttelte den Kopf, wischte sich die Kekskrümel von den Fingern und stand auf.
    »Ich lasse euch jetzt allein«, flüsterte Felicity salbungsvoll und eilte aus dem Raum.
    Kate Harris kam die Treppe hinunter. Gertenschlank, sie trug einen Rollkragenpullover aus schwarzer Wolle und Jeans – wobei es ihr irgendwie gelang, den verblichenen Jeans einen unglaublichen Hauch von Eleganz zu verleihen. Sie hielt einen kleinen schwarzen Scotchterrier an der Leine, und der Hund sprang an Johns Beinen hoch, mit hängender Zunge, so dass es aussah, als ob er lächelte und ihn wie einen alten Freund begrüßte, den er lange nicht gesehen hatte.
    »Und du willst ein Wachhund sein, Bonnie!«, sagte Kate trocken.
    »Sie hat sich die Seele aus dem Leib gebellt, als ich an die Tür geklopft habe.«
    »Wie haben Sie mich überhaupt gefunden?«
    »Sie hatten ja Ihre Visitenkarte dagelassen. Ich rief beide Nummern an, und als Felicity Jenkins bei der zweiten ans Telefon ging, sagte sie mir, dass Sie hier wohnen.«
    »Von Datenschutz scheint man in dieser Gegend noch nie etwas gehört zu haben.«
    »Hallo, Kate.« Felicity Jenkins betrat den Raum, eine zweite Porzellantasse in der Hand. »Vielleicht möchten Sie mit John hier im Klubzimmer Tee trinken. Ich wusste gar nicht, dass Sie sich kennen! Ich dachte, Sie hätten gesagt, dass Sie weder Verwandte noch Bekannte in der Stadt haben …«
    John sah den Unmut in Kates Augen, aber Felicity tat ihm Leid. Sie sah in der anderen Frau offenbar eine Bedrohung – vielleicht befürchtete sie, dass Barkley ein Auge auf sie werfen könnte.
    »Den Tee trinken wir gerne ein anderes Mal.« John stellte seine Tasse und den Unterteller auf den mit einem Zierdeckchen bedeckten kleinen

Weitere Kostenlose Bücher