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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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wohlgeformt – er senkte rasch den Blick, bemerkte wieder die nassen, dunklen Hosenaufschläge.
    »Sagen Sie Teddy doch bitte, dass die verfilzten Stellen weg sind.«
    »Die
was?«
    Aber Kate Harris war bereits in ihren Wagen gestiegen und ließ den Motor an. John wartete, bis sie gewendet hatte und davonbrauste. Brainer stupste mit dem Kopf gegen sein Bein, und instinktiv tätschelte er ihn. Das Fell des Hundes fühlte sich feucht, seidenweich und glatt an. Als John zu ihm hinunterblickte, sah er es: Brainers Fell war fünf Schattierungen heller, ohne Schlammspritzer, Dornen und Seetang.
    Der Hund war gebadet worden.
    Als er nach dem Türknauf griff und die Straße entlangspähte, sah er gerade noch, wie der Wagen von Kate Harris an der Kaimauer vorbeifuhr und aus der Sicht entschwand.
    Sagen Sie Teddy doch bitte, dass die verfilzten Stellen weg sind …
John schüttelte den Kopf. Was für ein Tag – der Ziegelstein, das Krankenhaus, der Gedanke, Maggie sei entführt worden. Als sein Blick auf die Konsole in der Diele fiel, sah er, dass Kate ihre Karte hinterlassen hatte: eine kleine weiße Visitenkarte mit einer aufgedruckten Adresse in Washington D. C. und einer von Hand notierten lokalen Telefonnummer. Mit einem Mal fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Umzug. Sie hatte sämtliche Brücken hinter sich abgebrochen und war hierher gekommen, um neu zu beginnen.
    »Mags«, rief er und schob die Visitenkarte in seine Tasche. »Können wir loslegen?«
    »Ja, beeil dich Dad!«, rief sie ihm von der sonnigen Glasveranda zu. »Und mach dich darauf gefasst zu verlieren!«
    John holte tief Luft. Er hatte Fledermäuse auf dem Dachboden, eine zersplitterte Fensterscheibe an der Frontseite des Hauses und kein Kindermädchen – aber seine Tochter war wohlauf, war zu Hause. Brainer, eine glänzende Erscheinung im Sonnenlicht, das durch das zerbrochene Panoramafenster fiel, lief voraus, brachte John O’Rourke auf direktem Weg zu Maggie.
     
    »Sie ist weg«, flüsterte Maggie, sobald Teddy um halb fünf durch die Tür trat.
    Er hielt abrupt inne, blieb in der Diele stehen. Er war nach seinem Fußballspiel von oben bis unten verdreckt und verschwitzt, völlig durchgefroren, weil die Jacke, die er angezogen hatte, nicht warm genug war. Je näher Halloween rückte, desto früher wurde es draußen dunkel, und das Haus hatte von der Straße einen abweisenden, düsteren Eindruck gemacht – es brannten nicht genug Lichter. Seine Mutter hatte sie immer mit einer Festbeleuchtung willkommen geheißen; Teddy schaltetet die Deckenlampe in der Diele ein.
    »Wieso weg?«, fragte er.
    »Weg eben«, flüsterte Maggie und deutete auf die geschlossene Tür des Arbeitszimmers. Das bedeutete, dass ihr Vater zu Hause arbeitete. »Dad mochte sie nicht.«
    »Kate?«, sagte Teddy fassungslos.
    Maggie nickte. »Weil sie mich im Auto mitgenommen hat, ohne um Erlaubnis zu fragen. Dad war schon zu Hause, als wir zurückkamen, und er ist
ausgerastet.«
    »Wohin ist sie mit dir gefahren?«
    »Er hat sie
rausgeschmissen,
Teddy«, ereiferte sich Maggie, als ob sie seine Frage nicht gehört hätte. »Er hat mich weggeschickt, das Schachbrett aufstellen, und als er auf die Veranda kam, um eine Partie mit mir zu spielen, sagte er, er habe ihr ›nahe gelegt zu gehen‹. So hat er es ausgedrückt, aber das bedeutet, dass er sie rausgeschmissen hat, oder?«
    »Richtig.« Teddy blickte auf die geschlossene Tür des Arbeitszimmers. Er wäre am liebsten hineingegangen, um mit seinem Vater zu reden, ihm zu erklären, dass Kate Spitze war. Sie verstand ihn – das hatte er schon nach zehn Minuten gemerkt. Der Gedanke an die anderen Kindermädchen, die sie gehabt hatten, war ihm ein Gräuel – manche waren nett, andere ekelhaft gewesen, aber keine hatte ihn verstehen können. Und Kate hatte sowohl Maggie als auch Brainer im Sturm erobert – von Anfang an.
    »Wo mag sie jetzt sein, was glaubst du?«, fragte Teddy.
    »Wahrscheinlich auf dem Weg zur nächsten Familie«, erwiderte Maggie unglücklich. »Ich habe Dad zu erklären versucht, dass er sie unbedingt behalten muss, aber er wollte nichts davon hören. Er meinte, sie habe sich als unbesonnen erwiesen, und Ende der Diskussion.«
    »Was hat sie denn
gemacht?«
Teddy blickte seine Schwester an. Mit einem Mal fiel ihm auf, dass ihre Haut rosig und frisch geschrubbt aussah. Ihre Haare glänzten im Schein der Deckenlampe.
    Draußen begann Brainer zu bellen. Vermutlich hatte er seinen Rundgang am Strand und

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