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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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um die Agentur anzurufen. Es konnte nicht schaden, zumindest die Referenzen von Kate Harris zu überprüfen; abgesehen davon galt es dafür zu sorgen, dass sie ihren Scheck erhielt …
    »Lass mich anrufen und nach ihr fragen, Dad«, erbot sich Teddy eifrig. »Komm, gib dir einen Ruck.«
    »Also gut.« John schob ihm das Telefon über den Schreibtisch zu, stolz auf das Verantwortungsbewusstsein seines Sohnes.
    Ihm die Nummer nennend, die er inzwischen auswendig kannte, sah John zu, wie Teddy die Sea and Shore Employment Agency anrief.
    »Hallo? Hier spricht Thaddeus O’Rourke. Wir sind in Ihrer Kartei eingetragen. Unsere Adresse lautet … oh, Sie kennen uns? Gut. Es geht um die Dame, die Sie heute hergeschickt haben. Kate … ähm, vielleicht heißt sie Katherine, oder Kathleen …«
    John holte die Visitenkarte aus seiner Hemdtasche und las den Namen ab. »Katherine«, sagte er zu Teddy.
    »Katherine Harris.« Teddy bedankte sich mit einem stummen, ernsten Kopfnicken. »Sie war heute bei uns …«
    Als John hörte, wie selbstbewusst sein Sohn die Angelegenheit in die Hand nahm, platzte er schier vor Stolz. Teddy verstand es, mit anderen zu kommunizieren. Er war direkt und zielstrebig, dabei aber respektvoll und freundlich. Er würde eines Tages einen erstklassigen Anwalt abgeben – oder in gleich welchem Beruf, für den er sich entschied, Erfolg haben.
    »Doch«, beteuerte Teddy nun, den Hörer in der Hand. »Sie war heute Morgen hier, kam in aller Frühe. Groß, braune Haare, fährt einen blauen Wagen …«
    John spitzte die Ohren. Er lehnte sich vor, über seine Dokumente hinweg, sah die besorgte Miene seines Sohnes. Teddy hörte eine Weile schweigend zu, wurde mit jeder Sekunde blasser. Sein Gesicht war kreidebleich, seine Augen füllten sich mit Tränen. Als er den Hörer auflegte, sah er mit einem Mal wieder aus wie ein Kind – und John ahnte, was kommen würde, noch bevor er den Mund aufmachte.
    »Sie arbeitet nicht für die Agentur«, sagte John.
    »Woher hast du das gewusst?«
    »Weil …« John wünschte sich, er könnte seinen Sohn in die Arme nehmen wie früher, als er klein war – wie Theresa es getan hätte. Er zitterte innerlich bei dem Gedanken, was alles hätte passieren können. Wer immer die Frau auch sein mochte, sie war mehrere Stunden mit Maggie allein gewesen. »Ich weiß es einfach.«
    »Sie wirkte so …«, stammelte Teddy hilflos.
    »So nett.« John wusste, dass sie noch einmal, in welcher Hinsicht auch immer, mit heiler Haut davongekommen waren. »Diesen Anschein erwecken alle.«

[home]
    4
    K ate Harris stand an jenem Abend unter der Dusche, das Wasser rann an ihrem Körper hinab. Es war so heiß, wie sie es auf der Haut vertragen konnte, und Dampfschwaden waberten um sie herum, beschlugen das Glas. Ihre Schwester hatte an die reinigende Wirkung einer Dusche geglaubt – genauer gesagt, an die Heilkräfte des Wassers an sich. Schon als Kind ging sie gerne schwimmen oder wollte duschen, wenn sie sich aufgeregt hatte.
    »Wasser spült die Sorgen weg«, pflegte Willa zu sagen und sich in das Handtuch einzuwickeln, wenn sie frisch aus der wogenden Brandung kam. Ihre Augen hatten geleuchtet, wie von einem inneren Licht, einem inneren Feuer erhellt, das sie nach außen ausstrahlte. »Findest du nicht, Katy? Egal, wie wütend oder verletzt oder schrecklich man sich fühlt, Wasser hat eine reinigende Wirkung …«
    »Du bist viel zu jung für solche Weisheiten«, hatte Kate mit gerunzelter Stirn geantwortet. In Wirklichkeit war sie unerhört stolz auf ihre kleine Schwester. Willa war Künstlerin, ein spiritueller Mensch, und das genaue Gegenteil von Kate, was die Persönlichkeitsmerkmale betraf. Ständig auf der Überholspur des Lebens. Geboren und aufgewachsen im Herzen der Meer- und Wildpferderegion von Chincoteague, Virginia, waren die beiden Schwestern völlig unterschiedliche Wege gegangen.
    »Probier es doch einfach, Katy – klammer dich nicht fest. Lass die Dinge einfach fließen, atme tief ein und aus, lass alle negativen Gedanken los. Nimm dir ein Beispiel an den Wildpferden! Sogar sie gehen schwimmen … gefällt es dir denn nicht, wie sie nur dastehen, unverwandt aufs Meer hinausschauen, und im Wind atmen?«
    Kate probierte es nun. Sie lehnte sich gegen die geflieste Dusche des Gasthofs, dachte an Willas Worte und wünschte, sie könnte die Gedanken an alles, was geschehen war, loslassen, von sich abfließen lassen. Sie versuchte zu singen – sie erinnerte sich,

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