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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Behauptung? Dass mein Mandant Willa umgebracht hätte?«
    »Weil sie
hier
war«, flüsterte Kate; das Wort »umgebracht« versetzte ihr einen Stich wie ein Messer. Sie würde sich niemals daran gewöhnen, »umgebracht« in einem Atemzug mit »Willa« zu hören. Sie kramte in ihrer Tasche und zog eine Postkarte hervor. »Die hat sie mir geschickt.«
    Sie reichte ihm die Karte und sah, wie er sie hochhielt, ans Lenkrad klemmte. Sie brausten die Küstenstraße entlang, während er das Bild betrachtete – völlig unberührt vom Ausblick unmittelbar zu ihrer Rechten –, die Felsen und den Leuchtturm von Silver Bay, dann überflog er Willas Handschrift im Schein der Straßenlaternen. Kate schloss die Augen, dachte an die Worte, die sie inzwischen auswendig kannte.
    Hallo Katy,
    es geht mir einigermaßen … dir auch? Mir war alles zu viel, und es ging schon zu lange. Es tut mir Leid, dass ich dir Kummer mache und dich besonders jetzt auf das fällige Gespräch warten lasse. Ich hasse mich für das, was ich dir angetan habe … ich komme aber bald nach Hause … Bonnie gefällt es hier – sie läuft gerne an dem langen Strand und an der Brandung entlang … Die Landschaft erinnert mich an zu Hause – an Chincoteague. Ich wünschte, du wärst hier – vielleicht irgendwann, wenn sich die Dinge zum Besseren gewendet haben …
    Ich liebe dich.
    Willa
    »Die Karte wurde am sechsten April aufgegeben«, sagte John, nachdem er die Innenbeleuchtung des Wagens eingeschaltet hatte, um einen Blick auf den Poststempel zu werfen. »Vor sechs Monaten.«
    »Ich weiß.«
    »Warum … warum ist mir bisher nichts über sie zu Ohren gekommen? Das war genau auf dem Höhepunkt …«
    »Von Merrills Umtrieben. Ich weiß. Aber ich erhielt ihre Karte erst vor einem Monat.«
    »Warum dauerte das so lange? Warum gelangte sie erst nach fünf Monaten in Ihren Besitz?«
    »Sie ging an meine alte Adresse. Postkarten werden vom Postamt nicht nachgesandt. Ich fand sie zwischen einem Stoß alter Kataloge und Rundschreiben.«
    »Haben Sie die Karte zur Polizei gebracht?«
    »Ja.« Kate dachte an die Polizeistationen im Umkreis, die sie in den letzten Tagen aufgesucht hatte. »Aber alle weisen auf die Tatsache hin, dass Willas Kreditkarten nach dem Abschicken der Postkarte noch in Massachusetts und Rhode Island benutzt wurden. Was bedeutet, dass dies nicht die letzte Etappe ihrer Reise war.«
    »Die Polizei hat über alle Frauen, die als vermisst gemeldet wurden, Nachforschungen angestellt«, erwiderte John wachsam; sein Tonfall verriet, dass er mit dieser Auskunft keinen wie auch immer gearteten Ehrenkodex verletzte.
    »Ich weiß, doch da niemand sie mit Connecticut in Verbindung brachte, tauchte ihr Name vermutlich nie in den Ermittlungen zum Fall Merrill auf …«
    »Und was war mit Bonnie?« John sah in den Rückspiegel. Der kleine schwarze Hund, erschöpft vom Herumtollen auf der Klippe, lag neben Brainer, das Kinn ruhte auf dem goldenen Rücken des Retrievers.
    »Felicity hat sie wiedererkannt, gleich bei meiner Ankunft – aber an Willa konnte sie sich nicht mehr genau entsinnen. Trotzdem, ich habe ihre Unterschrift im Gästebuch gefunden.« Sie hatte ein flaues Gefühl im Magen, als sie sich an den Moment erinnerte, in dem sie Willas Handschrift und ihre Anschrift entdeckt hatte, fein säuberlich mit Druckbuchstaben in der nächsten Zeile vermerkt.
    »Ich meinte, wo hat Bonnie die ganze Zeit gesteckt? Wo haben Sie den Hund gefunden, wenn er nicht bei Ihrer Schwester war? Und wann?«
    »Vor fünfeinhalb Monaten … gleich nachdem ich die Vermisstenanzeige aufgegeben hatte. Anhand der Kreditkarteninformationen konnten wir mit den Tierschutzorganisationen in den Gebieten Kontakt aufnehmen, in denen sie sich aufgehalten hatte. Bonnie war in einem Tierheim gelandet, das sich um streunende Hunde kümmerte, in einer kleinen Stadt im Süden von Providence. Ihr Halsband und die Anhänger fehlten. Sie war an einem Rastplatz unweit der I-95 aufgefunden worden, wo sie um Futter bettelte.« Kates Kehle war wie zugeschnürt bei der Erinnerung. »Sie war überglücklich, mich zu sehen.«
    »Bonnie wurde also nicht in
unserer
Gegend ausgesetzt.«
    »Ich weiß. Was Sie natürlich zu der Vermutung veranlasst, dass dies nicht Willas letzter Aufenthaltsort war, stimmt’s?«
    John zuckte die Achseln und runzelte die Stirn, blickte angestrengt auf die Straße.
    »Ich glaube, Sie irren sich. Und zwar deswegen.« Sie tippte gegen die Postkarte auf dem

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