Die geheime Waffe
nicht durch eine unbedachte Bewegung abgerissen werden. Aber das werden wir heute Nachmittag testen. Jetzt will ich zurück ins Bett.«
Auch Henriette war immer noch hundemüde, trotzdem bedauerte sie, dass sie das einfach aussehende Kommunikationssystem nicht auf der Stelle ausprobieren konnte.
DREIZEHN
G eerd Sedersen musterte jeden Einzelnen der flämischen Unternehmer mit forschendem Blick. Wenn seine Pläne gelingen sollten, musste er genau wissen, wen er auf seine Seite ziehen konnte. Doch die flämischen Wirtschaftsmagnaten
würden ihn nur dann unterstützen, wenn genug für sie heraussprang. Im Augenblick schien einigen von ihnen der zu erwartende Profit nicht der Mühe wert zu sein.
Vor allem kam es auf Gaston van Houdebrinck an, einen großen, schwer gebauten Mann, der seine Statur wie eine Waffe einsetzte, um seine Ziele durchzusetzen. Ausgerechnet dieser schüttelte nun den Kopf. »Ich sehe nicht, welchen Nutzen wir aus einer Trennung von der Wallonie ziehen würden. Damit schneiden wir uns nur von einem Markt ab, den wir jetzt problemlos beliefern können.«
»So problemlos auch nicht«, wandte ein anderer ein. »Die Erzeugnisse einiger meiner Fabriken werden im Süden boykottiert. «
»Das hat auch seine Gründe«, antwortete van Houdebrinck mit einem Hauch Verachtung in der Stimme.
Sedersen wusste, worauf van Houdebrinck anspielte. Der Mann, der sich hier beklagte, hatte sich mehrfach mit Aktivisten der Vlaams Fuist ablichten lassen und dabei antiwallonische Sprüche von sich gegeben. Das mochte man in Namur, Mons, Charleroi und Lüttich überhaupt nicht. Wallonische Fanatiker hatten als Antwort auf die verbalen Angriffe des Industriellen mehrere Filialen der Warenhauskette, die er dort aufgekauft hatte, gestürmt und demoliert. Mit solchen Zwischenfällen ließ sich in Flandern jedoch hervorragend antiwallonische Stimmung machen. Sedersen war sicher, dass es zu weiteren Ausschreitungen in beiden Teilen Belgiens kommen würde. Dann konnte es nicht mehr lange dauern, bis die beiden Völker begriffen, dass es keinen gemeinsamen Weg mehr für sie gab.
Während die anderen Versammlungsteilnehmer heftig diskutierten, überlegte er, ob er später nicht auch in der Wallonie tätig sein sollte. Dort gab es genug marode Firmen, die er für ein Butterbrot aufkaufen konnte. Schließlich interessierte es ihn nicht, ob das Geld, das in seine Taschen floss, von Flamen oder Wallonen ausgegeben wurde.
Als van Houdebrinck mit den Knöcheln der rechten Hand auf den Tisch klopfte, um für Ruhe zu sorgen, richtete Sedersen seine Aufmerksamkeit wieder auf das Gespräch. Am liebsten hätte er selbst versucht, die anderen Teilnehmer zu seiner Ansicht zu bekehren, doch in deren Augen war er ein Ausländer, der nur deswegen zu dieser Sitzung zugelassen worden war, weil er seine Hände bereits in zu vielen flämischen Unternehmen stecken hatte. Von belgischer Politik sollte er ihrer Ansicht nach jedoch die Finger lassen. Zwar saßen in diesem Kreis Gesinnungsfreunde, die in seinem Sinne handelten, doch nicht einmal zusammengenommen brachten sie das Gewicht auf, welches van Houdebrinck auf die Waagschale legen konnte.
»Ihr vergesst die EU! Sie wird niemals zulassen, dass ihr Zentrum Brüssel in den Strudel eines auseinanderfallenden Belgiens hineingezogen wird«, erklärte dieser beschwörend.
Giselle Vanderburg, eine elegante Frau mit der Figur eines Mannequins und einem messerscharfen Verstand, der sie zu einer der führenden Immobilienmaklerinnen Flanderns gemacht hatte, lachte spöttisch auf. »Brüssel ist immer noch unsere Stadt, und die EU hat uns nichts dreinzureden! Mir wäre es fast lieber, sie würde alle Institutionen aus unserem Land abziehen. Was hat uns die EU in Brüssel denn gebracht? Zigtausend Pendler und Zuzügler aus der Wallonie, die jetzt so tun, als wäre es eine wallonische Stadt, und EU-Angestellte, die ebenfalls Französisch plappern. Auf die können wir wirklich verzichten.«
»Wir verdienen gut an der EU in Brüssel«, konterte van Houdebrinck. »Außerdem ist es eine Tatsache, dass die Bewohner der Stadt schon weitaus länger mehrheitlich Französisch sprechen. Was wollen Sie mit diesen Leuten tun? Sie über eine noch nicht existierende Grenze jagen?«
»Wenn sie nicht freiwillig gehen, ja!«, brüllte einer von Zwengels engsten Verbündeten dazwischen.
Van Houdebrinck machte eine abwertende Handbewegung in die Richtung des Mannes und richtete beschwörende Worte an die anderen
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