Die geheime Waffe
sagte Jef sich und versuchte, seine Gewissensbisse zu unterdrücken. Doch auch dieser Gedanke wog das Gefühl nicht auf, dass er auf dem Weg war, seine Hände in das Blut von Unschuldigen zu tauchen. Da half ihm auch Zwengels Bemerkung, dass der Zweck die Mittel heilige, wenig.
Die anderen Männer in dem Kleinbus, der seiner Aufschrift nach aus einem Nest bei Namur stammte, schienen keine Zweifel zu kennen. Rechmann, der hünenhafte Deutsche mit dem Säuglingsgesicht, lachte gerade schallend, während sein Stellvertreter Lutz Dunker seine Pistole durchlud und tätschelte, als könne er es nicht erwarten, auf Menschen zu schießen.
Sie waren zu neunt, alle mit Tarnanzügen der französischen Armee bekleidet und mit französischen Pistolen und Sturmgewehren
bewaffnet. Trotzdem fragte Jef sich, wie diese Männer eine wallonische Terrorbande darstellen wollten. Er war der Einzige, der fließend Französisch mit Brüsseler Dialekt sprach. Die anderen durften den Mund nicht aufmachen, denn trotz aller Bemühungen klangen die paar französischen Brocken, die er ihnen beigebracht hatte, einfach grauenhaft. Jeder, der diese Sprache halbwegs beherrschte, musste den deutschen Akzent heraushören.
Trotz seiner Übelkeit und seiner Angst war Jef froh, dass Rechmann für dieses Verbrechen außer ihm nur Deutsche ausgewählt hatte. Flamen, die andere Flamen oder gar eine Frau oder ein Kind töteten, wären ein Alptraum für ihn gewesen.
»He, Kleiner, wenn du kotzen musst, halte den Kopf zum Fenster hinaus«, spottete Rechmann, dem der Zustand des neben ihm sitzenden Burschen trotz der Dunkelheit nicht entging. Er saß selbst am Steuer und fuhr die Autobahn in Richtung Lüttich. Hasselt und Diepenbeek lagen bereits hinter ihnen.
»Wir sind bald da«, setzte er sein einseitiges Gespräch mit van der Bovenkant fort.
Jef schluckte und versuchte sich zusammenzunehmen. Das Unternehmen war wichtig für Flandern!, beschwor er sich. Dennoch fragte er sich, ob es der Sache guttat, wenn sie auf diese Art gefördert wurde.
»Du weißt, was du zu tun hast?« Rechmanns Stimme wurde schärfer, denn es hing in erster Linie von dem jungen Flamen ab, ob ihr Vorhaben so gelang, wie er es geplant hatte.
»Ich werde ein paar Sätze auf Französisch sagen, während ihr die Leute umbringt!« Jefs Stimme zitterte so, dass Rechmann wütend schnaubte.
»Nimm dich zusammen, Bürschchen! Wenn du die Sache versaust, nehme ich dich persönlich zur Brust.«
Diese Drohung ließ Jef zusammenzucken. Ich hätte mich
nie auf diese Kerle einlassen dürfen, fuhr es ihm durch den Kopf. Doch der Übergang vom fröhlichen Rabauken, der mit anderen Parolen skandierend durch die Straßen gezogen war und sich mit Wallonen geprügelt hatte, zum Handlanger kaltblütiger Mörder war so schleichend vor sich gegangen, dass er zu spät begriffen hatte, worauf er sich einließ. Es war ein Fehler gewesen, sich von Zwengels Parolen begeistern zu lassen und dem Mann bedenkenlos zu folgen. Doch wenn er nun ausstieg, würde Rechmann ihn mit derselben Gleichgültigkeit umbringen, mit der er eine Fliege zerquetschte.
»Junge, wenn ich mit dir rede, erwarte ich eine Antwort!«, schnauzte Rechmann ihn an.
»Ich … ich werde es schon schaffen!« Wie um sich selbst davon zu überzeugen, wiederholte Jef die französischen Sätze, die er sich zurechtgelegt hatte.
»Ist ja schon gut! Hauptsache, du bringst dein Maul in dem Moment auf, in dem es nötig ist.« Rechmann verließ die Autobahn bei der Ausfahrt Tongeren und folgte der Nationalstraße 79 bis in die Stadt und bog dann auf die N 69 ab. Sie näherten sich der Grenze zur Provinz Lüttich. Wenn ich zu weit fahre, erwischt es Leute auf der verkehrten Seite, dachte er mit einem gewissen Amüsement. Irgendwann, hatte Sedersen ihm erklärt, würden sie auch dort Todeskommando spielen müssen. Aber das musste im richtigen Augenblick geschehen. Nun galt es erst einmal, den Zorn der Flamen anzustacheln.
Kurze Zeit später bog er nach links ab in Richtung Lauw. Von hier aus konnte man bereits in die Wallonie hinüberspucken. Rechmann blickte kurz auf die Anzeige des Navigationssystems. Sie waren schon in der Nähe des Hauses, das Karl Jasten am Vortag ausgewählt hatte. Für diese Aktion waren zwei Dinge wichtig: Das Gebäude musste weit genug weg von ihrem eigenen Hauptquartier und gleichzeitig einsam liegen, damit die Nachbarn nicht sofort herbeieilen konnten.
»Kameraden, haltet die Waffen bereit! Wir führen die Sache
wie
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