Die geheime Waffe
zu zögern den Beruf ihres Vaters ergriffen, weil es bei den von Tarows Sitte war, im Militär zu dienen. Concepcións Blick wanderte weiter zu ihrer Tochter. Henriette Corazon war ein hübsches Mädchen, und sie hätte sie gerne in einem schmucken Kleid gesehen. Doch zu ihrem Leidwesen hatte ihre Tochter darauf bestanden, ebenfalls der Familientradition zu folgen und in die Bundeswehr einzutreten.
Vergeblich hatte Concepción versucht, sie von diesem Schritt abzuhalten. Mit einer Hartnäckigkeit, die für sie erschreckend war, hatte das Mädchen den einmal eingeschlagenen Weg verfolgt und sich weder von ihren Vorhaltungen noch von den spöttischen Bemerkungen ihrer Halbbrüder davon abhalten lassen. Nicht zufrieden damit, Transportflugzeuge und Rettungshubschrauber zu fliegen, hatte sie nun die Einheit gewechselt, und dieser Schritt gefiel ihrer Mutter noch viel weniger.
»Du hättest Cory diese verrückte Idee mit dem Geheimdienst ausreden sollen«, sagte Concepción klagend zu ihrem Mann.
Ihr Gatte lächelte. »Noch ist sie nicht aufgenommen. Die Ausbildung ist hart, und es kann durchaus sein, dass Henriette bald zu ihrer alten Einheit zurückkehrt.«
Er wechselte einen verständnisinnigen Blick mit seiner Tochter. Im Gegensatz zu seiner Frau war er stolz auf sie. Wäre es nach Concepción gegangen, würde seine Tochter mit irgendeinem aufreizenden Fummel bekleidet hier sitzen und
sich die Fingernägel lackieren. Zu seinem Leidwesen hatten auch seine Söhne solche Vorstellungen und behandelten die kleine Schwester eher wie ein liebenswertes, exotisches Haustierchen, dem man mit einer gewissen Nachsicht begegnen musste. Aber seine Tochter hatte allen gezeigt, dass sie trotz ihres Aussehens eine echte von Tarow war.
»Am Mittwoch muss ich mich in München bei meinem neuen Vorgesetzten melden. Dann werde ich einem Kollegen zugeteilt, mit dem ich zusammenarbeiten soll«, erklärte Henriette stolz.
»Weiß man schon, wer der arme Kerl ist, der dich dann am Hals hat?«, wollte Michael wissen.
»Ich habe vor ein paar Tagen eine Mail bekommen. Es ist ein Oberleutnant namens Torsten Renk.«
»Renk? Dieses Schwein?« Michael sprang auf und stieß seinen Stuhl zurück, so dass er umfiel.
»Wenn dieser Mann so schlimm ist, ist es vielleicht besser, Cory geht nicht nach München«, rief Concepción erschrocken aus. Im Gegensatz zu ihrem Mann, der die Tochter immer bei ihrem ersten Vornamen Henriette nannte, kürzte die Mutter ihren zweiten Vornamen Corazon zu Cory ab.
»Renk ist in Michaels Augen nur deshalb ein Schwein, weil der Mann es gewagt hat, bei einem Lehrgang besser abzuschneiden als mein Bruderherz.« Dietrich von Tarow grinste, denn er konnte sich noch gut an den Rekruten Torsten Renk erinnern, den er vor Jahren ausgebildet hatte. Später hatte er dessen Spur verloren und erst vor kurzem erfahren, dass er noch immer beim gleichen Verein war, wenn auch jetzt unter dem Flammensymbol des MAD.
Michael blieb ihm die Antwort schuldig, doch der General hob den rechten Zeigefinger. »Was auch immer man von einem Menschen halten mag: Ich dulde es nicht, dass jemand am Frühstückstisch mit einem Schwein oder einem ähnlichen Tier verglichen wird. Und nun zu Renk: Ich habe mich gestern
kundig gemacht, was von ihm zu halten ist. Das Ergebnis ist erstaunlich.«
General von Tarow machte eine kurze Pause, um die Spannung zu erhöhen. »Torsten Renk hat an mehreren Auslandseinsätzen der Bundeswehr teilgenommen und wurde jedes Mal mit der Einsatzmedaille in Gold ausgezeichnet. Für Afghanistan und den Kosovo hat er zusätzlich die vergleichbaren Medaillen der Nato erhalten. Dazu trägt er das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Bronze, den Verdienstorden der Italienischen Republik, den Orden des Marienland-Kreuzes von Estland und ist zudem Ritter der französischen Ehrenlegion.«
Henriette schnappte nach Luft.
Auch Dietrich war beeindruckt. Michael aber kaute auf seinen Lippen herum. »Der Kerl ist ein übler Streber.«
»Dein Ehrgeiz ist auch nicht gerade klein, Brüderchen. Wenn es nach dir ginge, wärst du jetzt bereits Generalinspekteur der Bundeswehr oder wenigstens Generalleutnant«, warf Dietrich ein.
Henriettes Mutter griff einen anderen Aspekt auf. »Wenn dieser Renk so viele Orden erhalten hat, lebt er auch sehr gefährlich. Ich glaube nicht, dass ich mir das für Cory wünsche.«
Der alte General nahm ihre Hand und streichelte sie. »Ein Soldat muss damit rechnen, in Erfüllung seines Dienstes in Gefahr zu
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