Die geheime Waffe
zum Greifen nahe. Dennoch hätten sie einige Kilometer fahren müssen, um sie zu erreichen. Allerdings war sie in diesen Tagen nur zu Fuß erreichbar, denn die Gegend dort wurde wegen des Symposions strikt abgesperrt. Nur hier in den Vororten war es noch möglich, das Auto zu benutzen. Aus dem Grund hatte Torsten auch Kijkduin als Ziel ihres kleinen Ausflugs vorgeschlagen.
»Hier gibt es Poffertjes!« Henriettes Ausruf beendete Torstens gedanklichen Ausflug.
»Wollen wir hineingehen, oder setzen wir uns ins Freie?«, fragte er.
Henriette musterte die von einer Glaswand umschlossene Terrasse und zeigte auf einen freien Tisch an der Ecke. »Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich mich gerne dorthin setzen. Von da haben wir einen herrlichen Blick auf das Meer.«
Sie ist also doch romantisch, stellte Torsten kopfschüttelnd fest.
»Wenn Sie hier nichts finden, das Ihnen schmeckt, gehen wir eben weiter.«
Erneut riss ihn eine Bemerkung von Henriette aus seinem Sinnieren. Er starrte sie an und sah, dass sie ihm die Speisenkarte hingelegt hatte. »Entschuldigen Sie, ich war gerade in Gedanken. Was haben Sie gesagt?«
»Ich wollte wissen, ob Ihnen etwas auf der Karte zusagt, und da haben Sie den Kopf geschüttelt.«
Sie klang so enttäuscht, dass Torsten ein schlechtes Gewissen bekam. »Ich sagte ja, dass ich in Gedanken war. Ich habe noch gar nicht auf die Karte geschaut.«
»Dann wird es Zeit, denn die Kellnerin kommt schon.«
»Ich muss nicht lange suchen. Ich möchte einen Speckpfannkuchen, ein Wasser und einen Tee.« Torsten lehnte sich entspannt zurück und sah zu, wie seine Begleiterin zwischen mehreren Poffertjesvariationen schwankte und sich schließlich für die mit Eierlikör entschied.
»Wenn ich danach noch Hunger habe, kann ich auch noch etwas anderes nehmen«, sagte sie lächelnd und blickte auf die Promenade hinaus.
»Es gefällt mir hier, Herr Renk. Danke, dass Sie mich hierhergebracht haben.«
»Keine Ursache. Ich sitze auch lieber hier, als mir die furztrockenen Reden irgendwelcher selbsternannter Experten anhören zu müssen, von denen jeder die Patentlösung für alle Probleme der Menschheit zu kennen meint. Nur ist leider keine Einzige davon auch nur entfernt brauchbar.«
»Wenn ich Ihnen so zuhöre, könnte ich fast meinen, Sie hätten jeden Idealismus verloren!«
Torsten zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist das so. Ich habe auf meinen Auslandseinsätzen Dinge erlebt, von denen die Herrschaften, die sich in Den Haag versammelt haben, nichts zu wissen scheinen. Die können sich offensichtlich nicht einmal vorstellen, dass es so etwas gibt.«
»Halten Sie Veranstaltungen dieser Art für sinnlos?«
»Nicht grundsätzlich. Es ist schon richtig, wenn Vertreter der verschiedenen Länder und politischen Gruppierungen miteinander reden. Die Problemlösung muss jedoch vor Ort geschehen. Dort lässt sich nur selten etwas, was woanders geplant wurde, sinnvoll umsetzen. Das verhindern schon die
örtlichen Machthaber oder andere Gruppierungen. Diese sind für die eine Seite Terroristen und für die andere Freiheitskämpfer, die auch unschuldige Opfer hinnehmen müssen, um ihr Ziel zu erreichen. Doch im Grunde geht es allen nur um den eigenen Vorteil.«
Henriette blickte ihn interessiert an. »Also hatten Sie einmal Ideale, wurden aber von der Wirklichkeit enttäuscht.«
»Im Moment habe ich jedenfalls mehr Hunger als Ideale. « Torsten grinste und wies mit einer weit ausholenden Handbewegung auf das Meer. »In Augenblicken wie diesen weiß man, dass es sich lohnt zu leben. Andrea hat diesen Ort sehr gemocht. Wir wären auch wieder hierhergekommen, wenn …« Er brach ab.
»Wenn was?«, bohrte Henriette nach.
»Wenn die Sache damals nicht passiert wäre.«
Henriettes Neugier war zu groß, um über die Bemerkung hinweggehen zu können. »Haben Sie sich getrennt?«
»Andrea wurde ermordet!«
»Oh! Das tut mir leid. Ich wollte wirklich nicht … Entschuldigen Sie meine dumme Frage.« Henriette schämte sich so, dass ihr selbst die heiß geliebten Poffertjes nicht mehr schmecken wollten.
»Das braucht Ihnen nicht leidzutun. Sie können nichts dafür. « Torsten schüttelte sich kurz, als müsste er alten Ballast abwerfen, sah dann einen neuen Gast eintreten und kniff die Augen zusammen. Das Gesicht kam ihm bekannt vor. Gleichzeitig spürte er, wie es in seinem Nacken kribbelte.
Der Neuankömmling sah sich kurz um und setzte sich an den Nebentisch, der gerade frei geworden war.
Torsten
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