Die geheime Waffe
brachte.
»Besonders idyllisch ist das hier nicht gerade«, sagte Henriette bedauernd.
»In dieser Gegend lebt man halt nicht von Touristen, sondern von Tomaten!« Torsten hatte einen Witz machen wollen, merkte aber in dem Moment, dass er Hunger hatte. »Was meinen Sie, Leutnant: Sollen wir noch essen gehen, bevor wir ins Schulungszentrum fahren, oder darauf hoffen, dass wir dort etwas bekommen?«
Henriette bedauerte es, dass Renk sie wieder mit ihrem Dienstrang ansprach. Es wirkte unpersönlich, so als wäre sie ein Gegenstand, der zufällig sprechen konnte, und kein Mensch.
»Ich richte mich ganz nach Ihnen«, antwortete sie, da für einen Soldaten der Wunsch eines Vorgesetzten gleichbedeutend mit einem Befehl war.
Renk schien das ebenso zu sehen, denn als sie die nächste Ortschaft erreicht hatten, deutete er auf ein Restaurant direkt an der Straße. »Halten Sie dort an, Leutnant. Mir ist es lieber, wir kommen satt an, als wenn wir als Erstes die Kantine suchen müssten.«
Henriette bremste ab und schaltete den Blinker ein. Sie musste noch einen Lkw vorbeilassen, dann konnte sie auf den Parkplatz der Gaststätte fahren. Kaum stand der Wagen, stieg Torsten aus und sah sich um. Von nahem war das Restaurant nicht mehr ganz so einladend. Die Speisekarte war kurz, und nur die Tatsache, dass es als Nachtisch Poffertjes gab, hielt ihn davon ab, sofort weiterzufahren.
»Sehen wir uns den Laden mal an.« Sie betraten einen schwach erleuchteten, wenig ansprechenden Raum. Links neben der Tür befand sich die Schanktheke, und im Gastraum selbst stand ein halbes Dutzend Tische, von denen nur ein einziger besetzt war. Dort saßen fünf junge Männer in Uniform. Torsten vermutete, dass diese entweder von einer der nahe gelegenen Kasernen oder aus dem Schulungszentrum kamen, zu dem sie unterwegs waren.
Henriette und Torsten waren immer noch in Zivil, da sie aufgrund von Major Wagners Befehlen keine Uniformen eingepackt hatten. Aber sie hatten ohnehin kein Interesse, sich zu den Soldaten zu setzen, sondern wählten einen Tisch in der Ecke. Die Sitzflächen der Stühle waren klein und unbequem, und auf der Tischplatte lag keine Decke, sondern ein Stück Teppich, das auf die Größe der Platte zurechtgeschnitten war.
»Das nenne ich mal urig«, flüsterte Henriette Torsten zu.
Er hatte die in Plastik eingeschweißte Speisenkarte an sich genommen und bemühte sich, das Ding im Dämmerlicht zu lesen. Zu seiner Enttäuschung waren nur die gleichen Speisen darauf zu finden wie auf dem fleckigen Aushang vor der Tür.
»Was ziehen Sie vor, Kotelett oder Beefsteak? Allerdings nennt man Letzteres bei uns in Bayern Fleischpflanzerl und anderswo eine Bulette«, fragte Torsten seufzend.
Die Auswahl wäre wohl sogar in der Kantine des Schulungszentrums größer gewesen, dachte er mit wachsendem Ärger. Zudem blieb der Mann hinter der Theke stehen und putzte Gläser, anstatt zu ihnen zu kommen und ihre Bestellung aufzunehmen.
Schließlich stand Torsten auf und trat an die Theke. »He, bekommen wir hier was zu essen?«
Der Mann stellte das Glas ab, das er gerade abtrocknete, und sah ihn an. »Du bist Deutscher?«
»Hört man das nicht?«
Obwohl der Wirt nicht schmuddelig aussah, gefiel er Torsten nicht. Der Mann nahm nun mit abweisender Miene einen Block an sich, um die Bestellung entgegenzunehmen.
Torsten orderte für sich und Henriette je ein Kotelett und ein Glas Tee und dazu Poffertjes zum Nachtisch. Dann drehte er dem Wirt abrupt den Rücken und kehrte zu ihrem Tisch zurück. Während er sich setzte, musterte er unwillkürlich seine Begleiterin. In dem herrschenden Zwielicht wirkte ihre sonst nur leicht getönte Haut dunkel und verlieh ihr ein noch fremdartigeres, aber sehr anziehendes Aussehen. Vorsicht!, sagte er sich. Er durfte sich nicht von ihrem Äußeren beeinflussen lassen. Nur wenn es ihm gelang, sie auf elegante Art und Weise loszuwerden, würde Wagner ihm wieder handfeste Aufträge erteilen und ihn nicht als Einsatzreserve für unvorhergesehene Fälle in der Welt herumschicken.
»Ich gehe zur Toilette!« Henriette stand auf und sah sich suchend um.
»Dort!« Der Wirt zeigte auf einen Durchgang neben der Schanktheke, der sowohl zur Küche wie auch zu den Toiletten führte.
»Danke!« Henriette verschwand, während Torsten auf den Tee und das Essen wartete.
Inzwischen beendeten die Soldaten ihre laut geführte Unterhaltung und verlangten frisches Bier. Während der Wirt Henriette und Torsten hatte warten
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