Die geheime Welt der Frauen
abzukühlen.«
»Erzählen Sie mir nicht, dass Sie dort eingesperrt wurden.«
»Sima, Sie nehmen immer das Schlimmste an.«
»Nein, man hört nur Geschichten.« Obwohl sie protestierte, fragte Sima sich, wie Timna die Sache so schnell erfasst hatte - Connie erzählte ihr immer wieder die gleiche Story.
»Kurz und gut, nach ein paar Tagen beschloss ich, Kleider für den Kühlraum mitzunehmen, damit wir länger drinbleiben konnten. Ich brachte Trainingshosen und Sweatshirts für uns mit, die wir vor die Kühlraumtür legten. Wir machten eine Pause, zogen uns um, damit wir es für längere Zeit kühl hatten, aber dafür mussten wir uns warm anziehen.«
»Mein Gott, ist das schlau.« Sima stellte sich Timna und
Alon in dem frischen, dunklen Raum vor, warm eingepackt wie Kinder, mit Mützen, Handschuhen und Schals.
»Nachdem wir die richtigen Klamotten hatten, bauten wir uns ein richtiges Nest. Wir nahmen zwei Kisten gefrorene Erbsen und machten Hocker daraus, und eine Kiste gefrorenes Pita-Brot wurde unser Tisch. Und dann die Wände. Sie wissen, dass Kühlraumwände vereist und feucht sind? Also hinterließen wir zum Spaß Nachrichten füreinander an den Wänden: Alon liebt Timna, solches Zeug eben.« Timna malte mit der Hand ein Herz in die stickige Luft. »Als Alon schließlich zur Armee ging, war der Raum unser Zuhause geworden. Wir hatten diese rosafarbenen Teelichter aus dem Supermarkt stibitzt und stellten sie überall im Kühlraum auf …«
»Also helfen Sie erst und klauen am Schluss.«
Timna lachte. »Alons Dad hatte nichts dagegen. Da es nur noch ein paar Wochen bis zum Militärdienst waren, wollte er, dass wir uns vergnügten, Spaß hatten.« Sie strich mit der Hand über die Nähmaschine. »Es ist komisch, aber immer wenn ich nervös war in der Armee, wenn ich nicht schlafen konnte oder weinen wollte, dachte ich an diesen Kühlraum. Wie wir dort in unseren Trainingshosen gesessen haben und an dem provisorischen Tisch mit den brennenden Kerzen Kaffee oder Tee tranken, während es draußen selbst im Schatten brütend heiß war. Ich habe mich nie sicherer gefühlt als da drinnen.«
»Das ist sehr poetisch«, meinte Sima, obwohl sie ebenso von dem Gedanken angetan war, dass auch Timna schwere Zeiten kannte, gar weinte, wie von der Schönheit des Bildes: das junge Paar, der dunkle Kühlraum, die rosa Kerzen.
»Ich hatte eine Freundin, die immer sagte, wenn ich und Alon zusammen seien, habe man den Eindruck, wir spielten Vater-Mutter-Kind.«
»Aber das ist doch nett, oder?«
Timna schüttelte den Kopf. »Sie wollte mich verletzen. Wir wussten beide, dass es irgendwie albern war, sich in dem Kühlraum zu verstecken. Aber andererseits ist es doch schön, einen solchen Ort zu haben, oder?« Sie sah Sima an. »Dieser Laden. Der ist so ein Ort für Sie.«
Sima nickte, überrascht, weil ihr plötzlich diese offenkundige Wahrheit aufging. »Ja, ich schätze, das ist er.«
»Wenn man den findet, behält man ihn, nicht wahr? Egal, was andere Leute sagen.«
»Aber Sie sind jetzt so weit weg davon …«
»Es ist ja nicht der Kühlraum, es ist Alon. Jedes Mal, wenn ich mit ihm spreche, bekomme ich den Raum zurück. Und«, fügte sie lächelnd hinzu, »wie es in all den dummen Liebesliedern heißt, auch wenn wir nicht zusammen sind, ist er bei mir.«
»Natürlich«, sagte Sima, »das ist richtig«, obwohl sie wusste, dass der Laden nur ihr etwas bedeutete und für keine besondere Liebe in ihrem Leben stand.
Sima und Lev gingen auf Hochzeitsreise, als sie zwei Monate verheiratet waren und die Neuheit, mit einem Mann das Bett zu teilen, sich noch nicht abgenutzt hatte, aber ihre Angst größtenteils verschwunden war. Sein Atem in der Nacht gehörte ihr, sein Körper drängte sich jeden Morgen an sie, und er brachte sie zum Lachen, wenn er sie an sich zog. Obwohl sie protestierte, dass sie Zähne putzen und sich anziehen müsse, genoss sie dennoch die Wärme, wenn er sie umarmte und sie sich begehrt fühlte.
An einem heißen Wochenende im Mai fuhren sie nach Boston, in eine Stadt, die keiner von ihnen kannte. Von Brooklyn über Queens und Westchester zum Hudson Valley klebten ihre Schenkel an den Autositzen fest, aber der Wind blies Sima durchs Haar, und die grünen Weiden zu beiden Seiten der Straße
sahen genauso aus, wie sie aussehen sollten: mit Klee durchsetzt, und ab und zu ein Pferd hinter einem hölzernen Zaun.
Zum Lunch hielten sie an. Sima breitete im Schatten eines alten Baums eine Decke aus und
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