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Die geheime Welt der Frauen

Titel: Die geheime Welt der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilana Stanger-Ross
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Grenzlinie einen Moment inne, bevor sie ins beigefarbene Kanada weiterfuhr: New Brunswick, Neuschottland.
    Früh am nächsten Morgen verließen sie ihr Hotelzimmer und machten sich auf den Heimweg.

    »Ich hab Bilder mitgebracht«, sagte Timna zu Sima, während Idy und Chanie, die beiden Schwestern, leise streitend den Laden verließen.
    »Ach, wirklich? Lassen Sie mich sehen.« Sima stand von der Kasse auf und zog einen Stuhl an Timnas Tisch.
    Timna öffnete ihre Tasche - neu, wie Sima feststellte, erfreut, dass ihre Bezahlung dem Mädchen eine solche Anschaffung gestattete - und zog ein kleines Album heraus, das sie auf den
Tisch legte. Auf dem Einband war eine rote Rose mit Tautropfen auf den Blütenblättern, und unter der Blüte stand wie mit roséfarbenem Lippenstift »Erinnerungen«.
    Sima beugte sich vor, als Timna das Album öffnete, und sah auf die Fotos: Ein junges Mädchen, das Haar zum Pferdeschwanz zurückgebunden, hielt ein Baby.
    »Ich und meine Schwester Liat«, erklärte Timna lächelnd. »War sie nicht ein süßes Baby?«
    Sima nickte. »Mein Gott, ihr beide - Sie und das Baby.« Sie hob das Album hoch und betrachtete das Bild. »Sie sehen genauso aus wie heute, Timna. Wie alt waren Sie damals?«
    »Zwölf. Liat ist jetzt acht.«
    Das Mädchen auf dem Bild hielt das Baby mit beiden Händen und streckte einen Fuß vor, um das Gleichgewicht zu halten. Sie lachte. Das Baby blickte zur Seite, sein Mund weit aufgerissen vor Freude.
    »Ihre Eltern haben sich viel Zeit gelassen zwischen Ihnen beiden, nicht?«
    Timna blätterte um. »Sie sind geschieden. Mein Dad hat wieder geheiratet, Liat ist meine Halbschwester. Hier«, sie deutete links auf die Seite, »sind Dad, Liat, meine Stiefmutter und ich, und dort«, sie zeigte auf die gegenüberliegende Seite, »meine Mom und ich.«
    Sima beugte sich über die Fotos und konzentrierte sich zuerst auf die neue Familie. Timnas Vater lächelte breit und selbstbewusst. Er sah aus wie der Typ von Männern, die in Zeitungen für Uhren Werbung machten - groß, muskulös, mit silbernem Haar. Seine Frau war wesentlich jünger - fünfzehn, zwanzig Jahre, schätzte Sima - mit langem blondem Haar wie ihre Stieftochter. Sie hätten Schwestern sein können, dachte Sima, sagte es aber nicht.
    Die vier standen nebeneinander, die Arme auf den Rücken
gelegt, im Hintergrund Bruchstücke sandfarbener Ruinen und der blaue Ozean. »Das ist in Caesarea«, erklärte Timna, »kurz vor meinem Eintritt in die Armee.«
    Timnas Haar war auf dem Foto länger, ein paar ausgebleichte rötliche Strähnen hingen ihr ins Gesicht. Sie trug Jeans, ein paar Zentimeter überm Knie abgeschnitten, und ihre Beine waren lang, wenn auch ein bisschen zu dünn - immer noch die Beine eines kleinen Mädchens.
    Timna blätterte zum nächsten Bild. Ihre Mutter stand in der Küche, gegen braune Metallschränke gelehnt. Sie war eine schlanke Frau, gut angezogen, fand Sima, in dunklen Jeans und einem roten Kaschmirpullover, aber ihr Gesicht wirkte ein wenig verkniffen, und ihr fehlte Timnas offener Ausdruck und ihre glatte Haut. Sie sah nicht nur älter, sondern verschlossener aus.
    Die Küche war ein Chaos, die Arbeitsfläche mit Schüsseln zugestellt, auf dem Boden Mehl, das die gelben Fliesen bestäubte. Timna saß am Küchentisch, der vor Zeitungen und Illustrierten überquoll. Es musste am Morgen gewesen sein. Sie trug ihre Armeeuniform, war aber barfuß, und hob gerade einen Löffel mit Müsli zum Mund. Sie blickte nicht in die Kamera.
    »Da machten wir gerade Pfannkuchen«, sagte Timna.
    »Aber Sie essen Müsli.«
    Timna lächelte. »Sehr genau beobachtet.«
    Sima wurde rot und stellte fest, dass sie auf die Fotos starrte. Sie blickte auf, und eine Entschuldigung lag ihr bereits auf der Zunge: irgendwas über ihr Interesse an israelischen Küchen, ob sie genauso waren wie hiesige -, aber Timna starrte das Foto an, eine tiefe Falte zwischen den Brauen.
    »Sie wollte irgendeinen Typen beeindrucken«, erläuterte sie, »und ich wollte einfach rechtzeitig zum Stützpunkt zurück.« Sie schüttelte den Kopf. »Tatsächlich war ich verärgert. Aber es
ist ein gutes Bild, finde ich. Es fängt was ganz Bestimmtes ein, nicht?«
    Sima nickte, obwohl sie nicht sicher war, ob dieses Etwas wert war, eingefangen zu werden. »Wer hat es aufgenommen?«
    »Ihr Freund.« Timna blickte zu Sima auf und zuckte die Achseln. »Ihre Liebhaber beachte ich kaum. Es sind keine schlechten Typen oder so, bloß, als ich vierzehn war,

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